Die Orangerie ist eine der wichtigsten Spielstätten des freien Theaters in der Kölner Innenstadt. Ihre Bedeutung ist mit der sanierungsbedingten Schließung der Studiobühne eher noch gewachsen. Nun leitet Sarah Youssef das denkmalgeschützte Haus im Volksgarten. Ein Gespräch nach den ersten 100 Tagen über Produktionshäuser, Sanierungen und Nachwuchsarbeit.
choices: Was hat Sie gereizt, die Leitung des Orangerie Theaters unmittelbar vor der Sanierungsphase zu übernehmen?
Sarah Youssef: Das Orangerie Theater ist eine sehr besondere Location hier in Köln. Sie ist ganz anders als all die Theaterhäuser in Köln. Da ist einmal das historische Gebäude, dann der wundervolle weiße Theaterraum. Ich bin sowieso eher ein Fan der White Box als der Black Box. Und ich wusste selbstverständlich, dass die Sanierung ansteht. Damit bietet sich die Chance, die Orangerie in Zukunft zu einem Produktionshaus zu machen.
Wie soll sich das Haus durch den Umbau verändern?
Wir sind in konstruktiven Gesprächen mit der Stadt und den kulturpolitischen Sprechern der Parteien und hoffen, dass wir nächsten Herbst starten können. Die Büros, die derzeit noch im historischen Bau untergebracht sind, sollen in das umgebaute Glashaus umziehen. Ein anderer Teil der Glasbauten muss leider entfernt werden, weil er baufällig ist. Dort wird ein neuer Bau entstehen, in dem unser Foyer untergebracht sein wird. Es wird außerdem ein besser isoliertes Dach geben. Die Sanierung soll in zwei Phasen durchgeführt werden. Wenn alles gut läuft, sollten wir Ende 2023 starten, zwei Jahre später soll die Sanierung abgeschlossen sein. Das Architekturbüro raumwerk.architekten ist spezialisiert auf Sanierungen bei laufendem Betrieb. Wir werden während des Umbaus für vier bis fünf Monate nicht im Haus spielen können, können aber vermutlich kleinere Sachen dann bereits im neuen Foyer-Bau realisieren. Und wir haben selbstverständlich noch den Außenbereich.
Sie haben jetzt über fast zehn Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin an der Uni gearbeitet. Wie schwer wird der Wechsel von der Theorie zur Praxis?
Ich habe über Gefängnistheater in den USA und Großbritannien am englischen Seminar hier an der Uni promoviert. Parallel dazu habe ich habe ich Theaterprojekte mit Minderheiten oder auch Flüchtlingen realisiert. Dazu kommt noch internationales politisches Theater, Performance und während der Corona-Zeit habe ich mein zweites Buch über immersive Shakespeare-Performances geschrieben. Ich stand immer mit einem Bein in der Wissenschaft und mit einem Bein zugleich im Theater. Ich habe mit Gruppen wie Spiegelberg oder acting accomplices gearbeitet oder war dem Africologne Festival verbunden. Gleichzeitig habe ich bis heute Lehraufträge an der Akademie der Künste in Baden-Württemberg und an der Alanus-Hochschule in Bonn. Ich habe mich nie für das eineoderdas andere entschieden.
Sie haben Inga Hörter als Assistentin der künstlerischen Leitung ans Haus geholt. Wie möchten Sie beide die Orangerie programmatisch weiterentwickeln?
Inga Hörter ist eine grandiose Kuratorin und Kulturmanagerin und sie hat ein sehr gutes Auge für viele gesellschaftsrelevante Themen, zum Beispiel auch für Intersektionalitäts- und Nachwuchsbildung, was wir im März beim R.O.A.R. – Radical Outbreak of an Artificial Rulebook-Festival – sehen werden. Mein Fokus wird darauf liegen, die Orangerie zu einem internationalen Produktions- und Performance-Haus zu machen. Zugleich soll die Orangerie ein Zuhause für die besten und wundervollsten Gruppen in Köln werden. Ein weiterer Schwerpunkt liegt für mich in der Nachwuchsförderung. Das ist für mich ein sehr wichtiger Punkt. Also Performance, Internationalisierung, Produktionshaus, Nachwuchsarbeit, das sind die zentralen Punkte für mich.
Die Orangerie hat bisher mit mehreren Kölner Residenzgruppen gearbeitet. Werden Sie alle übernehmen?
Viele Gruppen wie Futur3, wehr51 oder Killer&Killer kenne ich natürlich schon. Wieso sollte ich die nicht am Haus haben wollen! Das sind Superkünstler und grandiose Performances. Die Herausforderung liegt darin, eine Balance zu schaffen. Ich möchte mit den kreativen Gruppen weiterarbeiten, aber auch Raum bieten für neue Gruppen, neue Kollektive, neue Ansätze. Entscheidend ist jetzt zunächst, wie die Sanierung vorangeht. Dann stellt sich die Frage der Förderung. Die Stadt Köln hat uns zwar gerade weitere Förderung zugesagt, doch wir brauchen zusätzliche Förderungen beispielsweise vom Land NRW oder vom Bund. Nur so können wir zum Produktionshaus werden. Es wird keinen radikalen Bruch geben, sondern eher einen Übergang.
Was schwebt Ihnen in Sachen internationale Kooperation vor?
Es geht um Performance-Gruppen. Ich habe lange in Großbritannien gearbeitet und bin deshalb interessiert an Gruppen wie Forced Entertainment, der Wooster Group oder dem Gate Theatre in London. Es gibt dort ein paar Häuser, die ich sehr schätze und mit denen man internationale Kooperationen aufbauen könnte. Dazu bin sowohl in der ägyptischen Theaterszene, aber auch in den USA sehr gut vernetzt. Sehr gerne zusammenarbeiten möchte ich beispielsweise mit der südafrikanischen Autorin und Regisseurin Yaël Farber. Sie adaptiert Klassiker wie zum Beispiel „Fräulein Julie“ von August Strindberg und hat es damit geschafft, die Relevanz kanonisierter Texte in einem wichtigen soziopolitischen Kontext zu kommunizieren.
Internationale Kooperationen kosten viel Geld.
Sehr viel Geld. Kalkulationen machen nie glücklich. Es geht nicht darum, dass ich zehn Produktionen mit Yaël Farber machen möchte. Ich möchte das langsam aufbauen. Es gibt auch sehr viele internationale Performancegruppen, die auf Festivals unterwegs sind, die sicher Spaß hätten, hierher zu kommen.
Die Orangerie ist zugleich auch Eventlocation für Hochzeiten und ähnliches, mit denen Sie Ihr Budget querfinanzieren. Streben Sie an, den Betrieb ausschließlich auf das Theater zu konzentrieren?
Das ist der Wunsch, wir machen daraus kein Geheimnis. Wir finanzieren uns damit ein Stück weit selbst, weil Menschen im Sommer gerne heiraten und wir eine Sommerpause haben, in der wir die Orangerie vermieten können. Das Haus ist eine Location der Stadt, das darf man nicht vergessen. Aber im Idealfall würden wir uns selbstverständlich gerne zu 100 Prozent über das Theater finanzieren. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir uns keinen Gefallen damit tun, dieses Haus der Öffentlichkeit zu verschließen. Wir laden gerne Leute zu uns ein. Und wenn jemand hier heiraten möchte, dann sollte man, wenn es sich in unseren Spielplan einrichten lässt, das möglich machen. Auch andere Häuser vermieten ihre Location zum Beispiel für Filmproduktionen. Aber das sollte natürlich nicht für alle Ewigkeiten so bleiben. Wir wollen Theater sein und wir wollen zu 100 % Theater sein.
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