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„Foxi, Jussuf, Edeltraud“
Foto: Sandra Then

Schauspielkunst hoch 3

24. Januar 2013

„Foxi, Jussuf, Edeltraud“ am Schauspiel – Theater am Rhein 02/13

Auf dem Garderobentisch liegt eine Reihe Schnäuzer zum Ankleben parat, vor dem Schminkspiegel warten Lippenstift und Ohrclips. Mit Krawatte zum Anstecken, einer dezent poppigen Brille und Lagerfeld-Zopf tritt Markus John zuerst auf die karge Bühne und spricht als Museumswärter Jussuf zu uns. Flugs die Haare zerwuselt, die Brille gewechselt und in eine speckige Lederjacke geschlüpft ist er der Taxifahrer Foxi; ein wollenes Schultertuch rundet seine Verwandlung in die Witwe Edeltraud ab. Was sonst noch dazugehört, innerhalb von zwei Stunden abwechselnd in die Haut von drei so unterschiedlichen Menschen zu schlüpfen, das zeigt John in dieser Ausnahmelektion in Sachen Schauspielkunst.

Denn nicht bloß durch Accessoires vollziehen sich die Wechsel zwischen den Bühnenfiguren, die der Darsteller für seine erste selbst inszenierte Uraufführung ausgearbeitet hat. Es sind kleine Änderungen in der Körperhaltung, feine Gesten, Eigenheiten im Duktus, die John den realen Vorbildern so genau abgeschaut hat, dass diese sich vor unseren Augen zu materialisieren scheinen. Edeltraud, die lange ein fleißiges, wohlhabendes Leben als Hausfrau, Mutter und Vorstandsgattin führte, bis Krankheiten alles veränderten. Der nassforsche Ex-Kneipier und -Zuhälter Foxi aus Bergisch Gladbach-Herkenrath („Bekannt, ne!“), den eine „Kur in Bad Ossendorf“ ruhiger werden ließ, und der spät den Familienmenschen in sich entdeckt. Jussuf, der Kunstliebhaber, der seine alte Mutter pflegt, eigene Bedürfnisse oft weglächelt und sich über die hiesige Kulturpolitik echauffiert.

Kölner Charakterköpfe sind sie alle drei, gefunden hat sie der Schauspieler auf eigene Faust und durch behutsame Recherche. Initialzündung war Alvis Hermanis' Schauspiel-Premiere „Kölner Affäre“ im Jahr 2008, für die John bereits Foxi erschuf. Dass er das Konzept des lettischen Regisseurs nun für sich adaptiert hat, ist ein Glücksfall. Markus John beweist nicht nur ein präzises Auge für die Portraitierten. Mit subtilen Mitteln und großem Können führt er uns die wundersame Einzigartigkeit eines jeden Individuums und seiner Geschichte vor Augen. Ein noch lange nachklingender Theaterabend, der Spaß macht, berührt und verblüfft.


„Foxi, Jussuf, Edeltraud“ von Markus John | R: Markus John | Schauspiel Köln in der Expo XXI | Do 21.2. 19.30 Uhr | www.schauspielkoeln.de

JESSICA DÜSTER

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