Morgens gibt es eine Vorstellung für die Kinder, dann schließt sich Programm für die älteren Geschwister an. Themen der Eltern werden verhandelt und die Großeltern kommen am Abend möglicherweise zu einer gesellschaftspolitischen Veranstaltung. So etwa muss man sich „intergeneratives“ Leben vorstellen. In den Ehrenfeldstudios, die an der Wissmannstraße im Zentrum von Kölns ältestem Arbeiterviertel liegen, soll es Realität werden und das Künstlernetzwerk um die Choreografin Silke Z. ist schon auf halbem Wege, um die gemeinsame Vision zu verwirklichen. Die Ehrenfeldstudios sind eine typische Konstruktion des Kulturlebens einer Stadt, die ihre freie Kulturszene nur unzureichend zu fördern vermag. Die chronische Unterversorgung in Köln trifft auf eine Szene, in der zweifellos ein erhebliches Maß an Kreativität steckt. Aus der Not macht man eine Tugend. So schlossen sich etwa Theater- und Tanzschaffende zum Netzwerk der Freihandelszone zusammen. Auch Barnes Crossing im Süden Kölns stellt ein solches Netzwerk von Choreografinnen dar. Zu den Gründerinnen zählte Barbara Fuchs, die nun in die Ehrenfeldstudios wechselt, wo seit drei Jahren auch schon Silke Z., Caroline Simon, das Tänzerduo Overhead Project und Marion Dieterle ihre Tanzstücke produzieren.
Soeben hat Barbara Fuchs mit ihrem „Papierstück“ den Kölner Kindertheaterpreis gewonnen. Damit eröffnen die Studios eine neue Veranstaltungsschiene für die jüngsten Besucher. Man arbeitet aber auch mit der Brotfabrik in Bonn zusammen und dem Theater am Winterfeldplatz in Berlin und tauscht seine Produktionen untereinander aus. Silke Z. betont, dass man kein Theater sei, „vielmehr sind wir ein Ort, wo man am Tanz teilnehmen und etwas erleben kann“. Konkret heißt das „Performing Immediacy“ und stellt sich als eine mit der Ruhr-Universität Bochum organisierte Veranstaltungsreihe dar, in der Silke Z und der australische Performer Andrew Morrish Methoden der Improvisation vorstellen. Das Publikum kann kostenlos an Praxis und Gespräch teilnehmen.
Die Öffnung zum Leben im Viertel wird gezielt entwickelt. Anfang Dezember nahm man noch an Kölns schönstem Weihnachtsmarkt um die Ecke in der Körnerstraße teil, wo Markus Schaden und die Internationale Photoszene ihre Installationen zum Chargesheimer-Projekt realisieren. Einige Tage später findet eine Lesung mit Jugendlichen aus Syrien statt, die von ihren Fluchterfahrungen berichten. Zuvor präsentiert der Amerikaner Bryce Kasson, der den Kontakt zu den Klassikern der Improvisationskunst in den USA herstellt, eine Clown-Produktion für Erwachsene. Dazu passt der Crazy Monday, ein wöchentlicher Termin, an dem Tänzer und Choreografinnen ihre Projekte vorstellen können. Unter dem freundlich-humorvollen Motto „Scheitern ist sexy“ wird eine Labor-Situation mit Publikum angeboten, in dem man die Wirkung eigener Arbeiten ausprobieren kann. Erfreulich ist, dass sowohl die Stadt Köln als auch das Land NRW aufmerksam erkannt haben, dass hier etwas Lebendiges im Kreise erfahrener Künstler entsteht, dem mit Förderung unter die Arme gegriffen werden kann. Nicht zuletzt profitiert der Stadtteil von der Initiative der Künstler, die seinen Bewohnern eine Bühne bieten, auf der Angelegenheiten von lokaler Relevanz verhandelt werden können.
„Performings Immediacy“ | 22. - 25.1. | Ehrenfeldstudios, Wissmannstr. 38 | Eintritt frei | www.ehrenfelstudios.de
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