Wer einen Blick in Franz Kafkas Innenleben wagt, der wird düstere Abgründe und schleifenförmige Sackgassen erwarten. Umso überraschender ist die Seelenschau, die Thomas Hupfer und Achim Conrad in ihrer 75-minütigen Performance entwerfen. Ein humoristisches, groteskes Porträt, das berührt und den Literaten von seiner menschlichsten Seite zeigt. Als Künstler, der fremd in einer Welt ist, die nach undurchsichtigen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Als einen Mann ohne Liebe aber mit sonderbaren Leidenschaften, dessen einziger Anker das Schreiben ist.
Trommelrhythmen und ein Konfettiregen eröffnen den Abend im Foyer des FWT. Das Naturtheater Oklahoma ruft nach Bewerbern. Doch für den Eintritt sind Legitimationspapiere erforderlich, die die Zuschauenden in Form ihrer Tickets vorweisen können. Nicht so allerdings der junge K. Für ihn schließt sich das Tor wieder. Ihn „brechen alle Hindernisse“.
In sechs Stationen begibt sich das Publikum auf eine Reise durch Kafkas Inneres. Da gibt es noch mehr von diesen Türen, die „nicht verschlossen“ und nicht offen stehen, mehr Prüfungen zu bestehen, mehr skurrile Charaktere zu entwirren. Im Naturtheater Oklahoma, einem verheißungsvoller Ort aus Kafkas Romanfragment „Der Verschollene“, wird Identität neu erfunden. So richtet sich der mal clowneske, mal dämonische Direktor direkt ans Publikum, macht es zu Mitbewerbern, zu Artgenossen, zu Anklägern. Wie die Nummern eines Varieté reihen sich Zitate, Zaubertricks und Romanauszüge aneinander. Mitunter tanzt sogar ein Käfer Ballett. Diese geistreiche kafkaeske Kumulation ist erfrischend und unbedingt empfehlenswert.
„Kafka“ | R: Thomas Hupfer, Achim Conrad | 1., 16., 17., 23.2. 20 Uhr | Freies Werkstatt Theater | 0221 32 78 17
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