Angenommen, die Liebe wäre nicht die große Sache, für die wir sie immer gehalten haben. Würde dann nicht ein erheblicher Teil unserer Erwartungen an die Zukunft in sich zusammenbrechen? Die Essener Tänzerin Antonia Koluiartseva stellt sich diese Frage in ihrer Choreografie „No Love Solo“. Zu sehen ist sie auf dem 12. Internationalen Tanzfestival SoloDuo NRW + friends, das in diesem Jahr mit einer „Special Edition“ versehen ist. Während man auf den Holzbänken der Biergärten Pobacke an Pobacke sitzt und auf das nächste Kölsch wartet, gilt es, bei kulturellen Veranstaltungen strengste Distanzvorschriften einzuhalten. So mussten die Duos in diesem Jahr gestrichen werden, Tanz darf auf der Bühne nur noch Solo stattfinden. Die Duos sind jedoch eingeladen, im nächsten Jahr ihre gegenwärtigen Produktionen zu zeigen.
Immerhin konnten Ilona Pászthy und Carla Jordao zehn Soli für den 31. Juli und den 1. August nach Barnes Crossing im Süden von Köln locken. An den beiden Abenden werden jeweils alle Produktionen gezeigt. Derzeit sind nur 39 Besucher in der Tanzhalle zugelassen, aber man arbeitet an einem Live-Stream, der im schönen Garten der Wachsfabrik auf einem großen Screen gezeigt werden kann. Etliche Tanzschaffende mussten in diesem Jahr die Reise an den Rhein absagen, trotzdem gibt es Produktionen aus Griechenland, Frankreich, Dänemark und Deutschland zu sehen. Soli stellen komplexe Herausforderungen an die physischen Möglichkeiten der Tanzenden und so zeigt Djamila Polo in ihrer Choreografie „An alles, was nie war oder sein wird“ extreme Körperpositionen. Philipp Caspari aus Berlin versucht in „Flow my tears“ die Grenzen des männlichen Körpers auszureizen. Caspari experimentiert zudem mit der Stimme, die auch innere Bewegung wahrnehmbar macht.
Dass Hühner zum Symbol für Schönheit und Freiheit werden können, mag man nicht erwarten. Der Däne Mikkel Alexander Tøttrup schenkt uns einen neuen Blick auf das Federvieh. Seine Produktion „Living in Capslock“ ist als politisches Statement für den vielfältigen Ausdruck der Sexualität als identitätsprägendes Phänomen konzipiert.
Bevor die Jury am 2. August die Gewinner für das beste Solo, den vielversprechendsten Nachwuchsbeitrag und die beste Leistung eines Tänzers bzw. einer Tänzerin prämiert, stellt sich die Campanhiade Dança de Almada aus Portugal vor. Ihr Stück „The art of losing isn’t hard to master“ bezieht sich auf ein Gedicht der Amerikanerin Elizabeth Bishop, in dem sie sich mit dem Verlust als beständigem Teil des menschlichen Schicksals beschäftigt.
Die schönste Nachricht im Vorfeld des Festivals besteht vielleicht in der Entscheidung der Portugiesen, als Sponsoren aufzutreten. Traditionell nehmen die prämierten Produktionen aus Köln einige Wochen später am Tanzfestival in Budapest teil. Diesmal geht die Reise aber auch nach Lissabon. Für das Publikum ist der griffige Modus des SoloDuo-Tanzfestivals eine Delikatesse, die sich offenbar gut exportieren lässt.
12. Int. Tanzfestival SoloDuo | 31.7., 1.8. 20 Uhr | Barnes Crossing, Köln-Rodenkirchen | 0172 986 32 34
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nymphen im Trainingslager
„Ophelia‘s Got Talent“ in Köln
Tanz der Generationen
„Kaleidoskop des Lebens“ von Choreografin Suheyla Ferwer – Tanz in NRW 03/25
Überraschungen vorprogrammiert
Das Urbäng Festival 2025 in Köln – Tanz in NRW 02/25
Tanzen, auch mit Prothese
Inklusive Tanzausbildung von Gerda König und Gitta Roser – Tanz in NRW 01/25
Die Erfolgsgarantin
Hanna Koller kuratiert die Tanzgastspiele für Oper und Schauspiel – Tanz in NRW 12/24
Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24
War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
Supergau?
Die TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24
Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24
Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache – Tanz in NRW 07/24
Alles über Füchse
„Foxx“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 07/24
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Freiheit oder Ausgrenzung?
„Draußen“ im Jugendpark Köln-Mülheim – Prolog 03/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
Fixer im Dienst der Wahrheit
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/25
„Ich erwische mich dabei, Stofftaschentücher zu bügeln“
Regisseur Sebastian Kreyer und Schauspieler Daniel Breitfelder über „Der ewige Spiesser“ am TdK – Premiere 03/25
Spiegelbild der Wutbürger
„Kohlhaas (Can‘t Get No Satisfaction)“ am Schauspiel Bad Godesberg – Auftritt 03/25
Skurrile Denkanstöße
„Der Tatortreiniger“ am Bonner Contra-Kreis-Theater – Prolog 02/25
De Rach vun der Fleddermus
„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25
Das Ende der Herrlichkeit
„Der Fall Ransohoff “ am Orangerie Theater – Theater am Rhein 02/25
„Es geht einzig und allein um Macht“
Regisseur Volker Lippmann über „Fräulein Julie“ am Theater Tiefrot – Premiere 02/25
Überladenes Gezwitscher
Elfriede Jelineks „Am Königsweg“ und „Endsieg“ in Bonn – Theater am Rhein 02/25
Ein Massengrab für die Hoffnung
„Aus dem Schatten: Thiaroye“ von Alexandra Badea am Schauspiel Köln – Auftritt 02/25