Freitag, 26. Januar: Zum Auftakt des Dokumentarfilmfests Stranger Than Fiction wurde parallel zum Filmstart „Anne Clark – I'll Walk Out Into Tomorrow“ im Filmforum gezeigt, wozu auch Anne Clark als Gast angekündigt war. Die Veranstaltung war nicht nur ausverkauft, sondern es gab sogar eine Warteliste. Die Vorfreude war groß – enttäuscht wurde das Publikum nicht.
Mit dem berühmtesten Song „Our Darkness“ beginnt der Film, und von der dunkelsten Stunde in ihrem Leben berichtet Anne Clark zuerst. Ruhig und nachdenklich erzählt sie ihre Geschichte, untermalt von ihrer Musik. Mal erscheint der Text ihrer Songs schnell und pulsierend auf der Leinwand, mal verleihen überlagernde Naturaufnahmen ihren Worten bildhaften Nachdruck. Und dazwischen reist Clark auf ihren eigenen Spuren in die Vergangenheit, um gleichzeitig ihren Weg in die Zukunft zu gehen. Sie kehrt zurück zu dem Orten ihrer Kindheit, ihrem Anfang in der Musik, dem Erfolg und den Rückschlägen.
Über allem steht ihre Liebe zur Poesie und zur Musik, ihrem Rettungsanker in jeder Lebensphase. Schonungslos berichtet Anne Clark von einem Familienleben, das durchsetzt war von gewaltbehafteter Kommunikation. Sie zeigt, wie diese Kindheit sie zu der Person gemacht hat, die sie heute ist. Doch bitter ist sie nicht. Ganz im Gegenteil folgt Clark konsequent ihrer eigenen Lebensphilosophie, alle ihre Energie ins Positive zu lenken. Authentisch und lebensnah bringt sie diese Einstellung zum Ausdruck.
Regisseur Claus Withopf porträtiert ein mutige Künstlerin, fängt den Zeitgeist der New-Wave-Bewegung ein, die es Clark ermöglichte zu der Musikerin zu werden, die sie heute ist. Die Musikgeschichte hat sie in ihrem Wirken geprägt und gleichzeitig hat sie selbst Musikgeschichte geschrieben. Dass ihr Leben und ihre Songs eine eng verwobene Einheit sind, erzählt der Film sowohl mit Worten als auch mit Bildern, fängt dabei eindrucksvoll und nachdenklich Clarks Musik und Persönlichkeit ein.
Mit Stärke und Humor zeigt sich sie auch im Interview: Trotz Krankheit und Krücke tritt Clark dem Publikum gelassen gegenüber, beantwortet alle Fragen mit ihrer ganz eigenen authentischen Präsenz, bringt ihr Publikum zum Lachen. Sie spricht davon, dass sie als Poetin die Rolle einer Beobachterin der Welt einnimmt und so eine eigene Sicht auf die Dinge in der Welt hat; wie gerne sie mit verschieden Musikrichtungen experimentiert und mit den unterschiedlichsten Musikern zusammenarbeite, um immer in einem kreativen Prozess zu sein. Auf die Frage, wie sie in Amerika aufgestellt sei, antwortet Clark ironisch: „America? What about it? America first?“, worauf der ganze Saal lacht. Das, was von diesem Abend am stärksten nachwirkt, ist Clarks Einstellung zum Leben und der Welt um sie herum. Mit einem einzigen Satz bringt sie das zum Ausdruck: „The world is wonderful – we just fuck it up. Why?“ Und das Publikum dankt ihr für ihre Musik und ihre Aufrichtigkeit mit stehenden Ovationen und Jubel. Ein hervorragender Dokumentarfilm, den man sehen sollte, und ein Abend mit einer einzigartigen Künstlerin.
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