Brando Alavarenga ist in die USA ausgewandert, um dort auf Baustellen Geld zu verdienen. Mit seinem Gehalt versorgt er nicht nur sich selbst und bezahlt Essen und Unterkunft in den USA, sondern vor allem seine Familie in der Heimat. Jede Woche schickt er ihnen ein wenig Bargeld, oft nur 100 US Dollar, was auch in Honduras nicht besonders viel ist. Dafür nutzt er Geldtransfersysteme wie Western Union oder auch MoneyGram, in deren Filialen man Bargeld abgibt, welches dann in einer Filiale im Land des Empfängers abgeholt werden kann. Das Geschäftsmodell dieser Unternehmen ist so simpel wie gewinnbringend: Pro Überweisung zahlt Brando Alavarenga einen gewissen Prozentsatz an Gebühren. Bei 100 Dollar können das 20 bis 30 Dollar sein, je nach Geschwindigkeit des Transfers. Doch auch darüber hinaus haben die Transferunternehmen einen Weg gefunden, Profit zu erwirtschaften: Sie beobachten die Wechselkurse, passen den günstigsten Moment für den Transfer ab und erzielen so nur durch die Wechselkursdifferenz hohe Gewinne.
Für Arbeitsmigranten, die oft keinen festen Wohnsitz und keinerlei Sicherheiten aufzuweisen haben, sind Western Union und MoneyGram die einzige Möglichkeit, Geld an ihre Familien zu schicken, denn ein Bankkonto können sie nicht eröffnen. Die Regisseure Matthias Heeder und Monika Hielscher zeichnen in „Money in Minutes“ ein sehr klares Bild der internationalen Arbeitsmigration, das nicht nur die Suche nach einem besseren Leben der Protagonisten dokumentiert, sondern auch die Schattenseiten des Kapitalismus darstellt.
So kommen auch US-amerikanische Grenzpolizisten zu Wort, welche die Menschenschleuser, sogenannte „Coyotes“, an der Grenze zu Mexiko verfolgen. Die „Coyotes“ schmuggeln die Migranten für umgerechnet 2500 Dollar über die Grenze und werden dafür über die größtenteils anonymen Banktransfersysteme bezahlt. Unternehmen wie Western Union verweigern der Polizei jedoch die Mitarbeit - das Geschäft mit den Schleusern ist zu lukrativ. Das ist nicht nur gewissenlos, sondern auch in höchstem Maße unmoralisch.
Ein Rechtsanwalt, der Unternehmen dieser Art seit Jahren beobachtet, fasst dies am Ende des Films treffend zusammen. Das Unternehmen handelt nur in seinem Interesse als „Geldbeschaffungsmaschine“, Moral habe hier keinen Platz. Matthias Heeder bestätigt diese Aussage im anschließenden Gespräch. Er erzählt, dass Western Union entlang der am logischsten erscheinenden Route nach Westeuropa Filialen eröffnet hat, nachdem bekannt wurde, dass den Flüchtlingslagern in Jordanien keine finanziellen Hilfen mehr zukommen würden. Das geschah schon lange bevor die sogenannte Flüchtlingskrise überhaupt ein Thema in Europa war. Und die neuen Kunden kamen.
Tipp: ARTE zeigt den Film am 26.1. um 23:15 Uhr.
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