Die Luft im Saal ist heiß, so heiß, dass das Blut im Rhythmus der lauten Musik pulsiert. Auf dem tiefschwarzen, weichen Boden bewegen sich Körper; geschmeidig, gedehnt, im Akkord. Das Publikum ist gebannt, manch ein Knie wippt mit. Körperlich ausgesprochene Sätze werden von den gestreckten Füßen der Tänzer abgelesen. Ist es möglich, dass wir eine solche Begegnung im Sommer wieder erleben dürfen, zumindest unter Abstandsauflagen? Das Tanz- und Performance-Festival tanz.tausch will nicht bis dahin abwarten. Es drängt, die Zuschauer sind durstig.
„Jetzt erst recht – live und in Farbe“ lautet das Motto der neunten Ausgabe, die am 22. und 23. Januar mit einem Warmup startet und dann vom 27. bis zum 30. Januar in die Vollen geht. Das trotz allem vielseitige Programm bietet rund 80 Mitwirkenden eine Bühne. Bespielt werden die TanzFaktur, das Zirkus- und Artistikzentrum Köln (ZAK) und die beiden Säle der Alten Feuerwache – um 19 Uhr gibt es jeden Tag eine digitale Performance, um 20 Uhr wird übertragen im Live-Stream.
Online, interaktiv und reflektierend
„Wir haben uns die Entscheidung nicht einfach gemacht“, erklärt Mechtild Tellmann, die gemeinsam mit Alexandra Schmidt das Festival künstlerisch und organisatorisch leitet. „Im Herbst schon war klar, dass die Situation im Januar nicht besser sein wird. Wir wollten jedoch nicht nur mit 20 Zuschauern im Saal in die Sommermonate gehen. Alle setzen auf den Sommer, da geht das Angebot unter. Und wir wollten besonders jüngeren Künstler*innen, die keine kontinuierliche Förderung haben, *jetzt* Möglichkeiten bieten.“
Live gestreamt werden jeweils die Auftritte verschiedener Tanzgruppen und Choreografen unter der Rubrik „tanz.bühne“. Hinzu kommt ein interaktives Programm namens „tanz.digital“, das auf der Website einzusehen ist. Durchgängig verfügbar sind kleinere „tanz.treats“ – Filme und andere Schmankerl. Der „tanz.podcast“ sorgt für „Tanz auf die Ohren“: eine Art Salon über Tanzgeschichte und -wissenschaft in Form von Interviews und Einführungen.
Ebertplatz: Spaziergang mit Schnitzeljagd
Jeden Abend reflektieren Studierende des Zentrums für Zeitgenössischen Tanz Köln das Gebotene noch einmal schreibend im „tanz.blog“ und eröffnen damit eine Diskussion über die behandelten Themen. So können die Kontexte noch einmal spielerisch und experimentell angegangen werden. Tatsächlich vor Ort gibt es einen frei durchführbaren Stadtspaziergang um den Ebertplatz. Mit einer Online-Karte können die Fußgänger einiges im Viertel entdecken.
„Wir wollen mit dieser Schaufenster-Tour auch auf die derzeit geschlossenen Läden und Cafés aufmerksam machen“, erzählt Mechtild Tellmann. „Das ist ein gegenseitiger Support. In den Schaufenstern gibt es dann ganz unterschiedliche Sachen zu sehen: Installationen, Videos, Bilder, auch ein Hologramm.“ Drei Stunden sind für das Programm eingeplant, von Mittwoch bis Samstag (27.-30.1.) wird die interaktive Karte freigeschaltet sein. Mittels Links ist hier auch eine Verbindung mit den Podcasts möglich.
Ursprünglich waren für den Stadtspaziergang Live-Performances geplant. Künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum sind momentan allerdings nicht möglich. Jeder kann den Spaziergang nun auf eigene Faust gehen, um zu große Massen zu vermeiden. Im Anschluss kann man es sich mit einem Tee oder Wein zu Hause gemütlich machen und die Tanzfilme schauen, auf die unter anderem unterwegs neugierig gemacht wurde.
Grenzenlose Zusammenarbeit
Digital erscheint auch „Cobra Blonde – das Buch“ von Reut Shemesh im Rahmen des tanz.tausch. Darin geht es um eine Zusammenarbeit mit der „Tanzgarde der Karnevalsfreunde der katholischen Jugend Düsseldorf“. Ein Projekt, in dem die Choreografin die Grenzen zwischen zeitgenössischem und Gardetanz beschreitet – und übertanzt, um eine Verbindungen zwischen den Welten zu schaffen (Buchvorstellung: 23.1. um 21 Uhr).
Eine Art interaktiver Workshop über Zoom ist das Projekt „The future concert“ von den Performern und Choreografen Montserrat Gardó Castillo & Petr Hastik. Zehn Zuschauer dürfen aktiv mitwirken an der Erarbeitung dieses „Konzerts“. Aus den Ideen und Impulsen, die am 30.1. um 16 Uhr gesammelt werden, entstehen dann musikalische und tänzerische Improvisationen.
Solidarische Preise
Für die Aufführungen müssen Tickets erstanden werden. „Ein Angebot für umsonst hielten wir für nicht angebracht“, sagt Tellmann. „Die Hürde sollte jedoch auch nicht zu groß sein. Ab einem Euro ist alles möglich an Preisen – es steht jedem frei, so viel zu geben, wie er mag.“ Nur die tanz.treats und der Schaufensterbummel sind ohne Bezahlung zu haben. Kauft man sich ein Ticket für eine Vorführung um 20 Uhr, bekommt man dazu jedoch auch einen Link für den restlichen Abend.
„Wir bieten Double- und Triple-Abende, um möglichst viele verschiedene Stile aufzuzeigen“, so Tellmann. „Es wirkt für uns ein bisschen schräg, ganz ohne Zuschauer. Doch letztes Jahr waren wir jeden Abend ausverkauft – online können also umso mehr Menschen zugucken.“
tanz.tausch – tanz und performance festival | 22., 23.1., 27. - 30.1. | www.tanztausch.de | 0221 99 71 50 20
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