Am Samstag versammelten sich im Bürgerzentrum Ehrenfeld Rad-Aktivisten, die sich nicht nur in Köln neues politisches Gewicht erkämpft haben und sich über den Radweg-Horizont hinaus mit modernen Lösungen im Verkehr auseinandersetzen. Dabei geht es allerdings nicht nur um Klima und Gesundheit, sondern gerade in Köln auch nach wie vor um konkrete tägliche Probleme wie unbefriedigende Radwege und Abstellmöglichkeiten sowie Gefahrenstellen an Kreuzungen oder Hindernisse wie falsch parkende Autos.
Schon im letzten Jahr machte Oberbürgermeisterin Henriette Reker durch ihr Auftreten bei der Radkomm deutlich, dass die Nachricht in der Politik angekommen ist. Es schien eher um das Wie und das Wann der Umsetzung zu gehen. Daran hat sich seitdem nichts geändert. So steckt etwa der Plan, die Ringe auf Tempo 30 zu setzen und für den Radverkehr freizugeben – nach einem Konzept der Initiative RingFrei, dessen Verfolgung Bezirksbürgermeister Andreas Hupke als ein wichtiges „Leuchtturmprojekt“ für den Radverkehr bezeichnete – bis heute in Prüfungsverfahren und bislang schwer erkennbaren Vorarbeiten fest. Frau Reker warb am Samstag freilich erneut um Geduld. Die Prüfungen würden ihre Zeit brauchen, damit am Ende eine Ratsvorlage herauskomme, die „Hand und Fuß“ habe.
Zugleich bat sie die Initiative RingFrei, die im Mai ein mehrfach verschobenes Workshop-Treffen mit Vertretern der Verwaltung abgesagt hatte, wieder in den Prozess einzusteigen, damit man zu einer gemeinsamen Lösung käme. Dass sie in der heutigen Zeit, in der Städte nicht mehr „per Dekret“ zu regieren seien, eine Zusammenarbeit zwischen Politik und Bürgern für notwendig halte, untermauerte sie in ihrer Ansprache mit dem Hinweis auf das geplante reguläre Bürgerbeteiligungsverfahren der Stadt.
RingFrei selbst hatte schon am Tag zuvor eine E-Mail an die Vertreter der Bezirksvertretung Innenstadt versandt, in der die Initiative einige Bedingungen nannte, unter denen sie wieder in das Workshopverfahren einsteigen werde. Insbesondere wird die Umsetzung von Sofortmaßnahmen wie Tempo 30 an zwei Teilstrecken des Rings zum 31. Juli gefordert sowie ein verbindlicher Zeitplan.
Auch in Hinblick auf einen Bericht in der WDR-„Lokalzeit“ über den Kölner Nachholbedarf in Sachen Radschnellwege räumte Reker ein, dass es sehr langsam ginge: „Ich weiß, dass wir seit ungefähr eineinhalb Jahren prüfen. Ja, Sie lachen jetzt, weil Sie sich wahrscheinlich nicht in Gänze vorstellen können, was eine solche Prüfung beinhaltet.“ Um solche Prozesse künftig zu beschleunigen, arbeite man ja bereits an einer Verwaltungsreform.
Während ein Vortrag von Kinderarzt und Feinstaub-Experte Christian Döring zu den Quellen und zu den trotz vieler Studien unterschätzen Gefahren des Feinstaubs in Köln vor den versammelten Radfahrern deplatziert erschien, erinnerte er doch unter anderem daran, dass das Aufwirbeln von Feinstaub mit der Geschwindigkeit der Fahrzeuge korreliere. Warum auf den von Fußgängern und Radfahrern gleichermaßen benutzten, teilweise von schlechter Durchlüftung und vielen Ampeln geprägten Kölner Ringen nicht sowieso längst Tempo 30 eingeführt ist, dürften sich also eigentlich nicht nur Radfahrer seit Beginn der Feinstaubdebatte vor über zehn Jahren fragen. Döring verwies unter anderem auf deutliche statistische Zusammenhänge mit Schlaganfällen und Frühgeburten und auf den Grundgesetz-Paragrafen zum Anspruch auf körperliche Unversehrtheit.
Noch einmal auf die Ringe angesprochen, sagte Reker, dass sie ihren „einzigartigen Boulevardcharakter“ verloren hätten. „Wenn es uns gelingt, die Ringe wieder zu einer Lebenszone zu machen, dann wäre das sicherlich gut.“ Gerade die Kölner würden im Übrigen ein „Leben auf der Straße“ schätzen. Die Pflicht zur Benutzung der Radwege solle noch in diesem Jahr zwischen Hansaring und Rudolfplatz wegfallen, während der Austausch und die Umprogrammierung von Ampelanlagen eingeleitet sei.
Frau Reker, die diesmal mit einem längeren „Grußwort“ teilnahm und anschließend kurz das Klimaschutzprojekt „Stadtradeln Köln 2017“ eröffnete, konnte leider nur kaum in eine Diskussion mit dem Publikum einsteigen. Sie bekräftigte in ihrem Vortrag ihre Unterstützung für die Förderung des Radverkehrs als „umwelt- und klimafreundlicher Form der Mobilität“ und sagte, Köln sei „schon ein ganzes Stück vorangekommen“. Sie selbst sei wieder mit dem Auto zur Radkomm gefahren: „Mir ist das Radfahren in Köln zu gefährlich.“ Während sie die Unfälle der letzten Jahre als „unerträglich“ bezeichnete, schien sie auch die Probleme mit der Stadtluft ernstzunehmen, mit der sich demnächst der Umweltdezernent Prof. Dr. Harald Rau an einem „runden Tisch“ mit der Bezirksregierung befassen werde.
Erfolge sind für Reker das 2016 im Rat beschlossene Radverkehrskonzept Innenstadt – dem Konzepte für Ehrenfeld und weitere Viertel folgen würden –, die entsprechende Öffnung der großen Fußgängerzonen für Radfahrer, der Planungsbeginn für den Radschnellweg aus Richtung Frechen und die bevorstehende Einrichtung einiger Fahrradschutzstreifen. Zudem sei das Dezernat Verkehr eingerichtet worden und man versuche – auch angesichts 200.000 zusätzlicher prognostizierter Einwohner bis zum Jahr 2040 – in der Mobilität einen „Drittelmix“ zu erreichen.
An die Radfahrer selbst richtete sie die Bitte, die Verkehrsregeln zu beachten und damit „zur Akzeptanz der Radfahrerinnen und -fahrer auch beizutragen“. Dr. Ute Symanski von der Radkomm versprach ihrerseits, dass die Teilnehmer die Bemühungen des Verkehrsdezernats und der Oberbürgermeisterin bei Bedarf mit Aktionen unterstützen würden.
Die neue Verkehrsdezernentin Andrea Blome, die zusammen mit Sozial- und Umweltdezernent Rau an einer Podiumsdiskussion teilnahm, gab bekannt, dass sie bereits in einen Dialog mit unterschiedlichen Initiativen eingetreten sei und stellte eine „Fachgruppe Radverkehr“ in Aussicht, in der sie Initiativen und Verbände „mit der Verwaltung an einen Tisch bringen“ wolle. Das erste Treffen fände wahrscheinlich nach den Sommerferien statt. Sie verspreche sich dadurch mehr Transparenz und ein besseres Vorankommen.
Unter der Überschrift „Verkehrsplanung in Köln – Luft zum Handeln“ rechnete Stadtplaner Prof. Dr. Heiner Monheim mit der Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte ab – der „Generationenwechsel“ lasse noch immer auf sich warten – und sprach Konzepte und Techniken der Zukunft an. Damit tat er wie zuvor Herr Döring nicht viel anderes, als offene Türen einzurennen. Unter anderem stellte er mit Blick auf Köln fest, dass keine Zeit mehr sei für unterirdische Verkehrslösungen sei (Niederflur-Straßenbahnen statt neue U-Bahnen) und dass in großem Umfang („think big!“) attraktive Fahrradstraßen parallel zu Hauptverkehrsstraßen einzurichten seien.
Einen zentralen Teil der Radkomm, zu der über den Tag etwa 350 Besucher kamen, bildeten Workshops und Diskussionen zum Thema Radverkehr, Feinstaub und Politik. Es bleibt dabei: Viele Radfahrer in Köln sind unzufrieden und haben eigentlich schon keine Geduld mehr für vage Ankündigungen und undurchsichtige Prozesse. Sie werden weiterhin gut informiert und organisiert in Erscheinung treten, wenn es um die konkrete und zeitnahe Umsetzung nachhaltiger Verkehrskonzepte geht.
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