Bereits im September 2015 erschien im Fischer Verlag „Katharis“ von Luz. Der ehemalige Charlie Hebdo-Zeichner erzählt in dem Album, wie er nach dem Attentat auf das französische Satire-Magazin, das er nur überlebt hat, weil er am 7.1.2015 zu spät ins Redaktionsbüro kam, weiter leben und arbeiten konnte. Während Luz uns in dem ihm vertrauten Strip-Format in seine Seele blicken lässt, hat Catherine Meurisse mit „Die Leichtigkeit“ eine lange Erzählung vorgelegt. Auch Meurisse hat zur Zeit des Attentats bei Charlie Hebdo gearbeitet (und wie Luz kurz darauf gekündigt), auch sie hat ihr Leben einer alltäglichen Verspätung zu verdanken. Ausgerechnet am Tag nach dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt erschien ihr Album auf Deutsch. Ihre Geschichte lässt keinen Zweifel an der zerstörerischen Kraft eines solchen terroristischen Akts auch bei den Überlebenden. Meurisse muss sich ihr Leben und ihre Arbeit zurückerobern. Das gelingt ihr durch den Blick auf das Schöne in Kunst und Natur. Was sich in dieser Kürze vielleicht platt oder kitschig anhört, vermag sie in ihrem Comic als intensive Tour de Force auf Leben und Tod zu schildern (Carlsen).
Das Autoren-Duo Schuiten/Peeters, langjährige Experten für retrofuturistische Urbanistik-Fantasien, fügen ihrer losen Sammlung des Universums der geheimnisvollen Städte mit „Nach Paris“ ein weiteres Kapitel hinzu. Mit dem zweiten Band „Sternennacht“ wird die Geschichte um Karinh, die auf die Erde zurückkehrt, abgeschlossen. Einst hat sich eine Arche ins Weltall abgesetzt, um den zunehmend widrigen Bedingungen auf der Erde zu entkommen. Nun kehrt ein Raumschiff zurück, um die Erde zu erkunden. Karinh möchte aber vor allem die Heimatstadt ihrer Eltern kennenlernen – und ihren Vater. Doch Paris ist inzwischen ein modellhaftes Touristenziel ohne Leben geworden. „Nach Paris“ umkreist die Themen Heimat und Ursprung sowie Original und Kopie. Die Story ist ebenso ausufernd wie die Architekturfantasien, die in der bekannten Manier der Autoren zwischen Jugendstil und Steampunk steht. Dass die Protagonistin die halbe Zeit ebenso halb bekleidet ist, könnte noch am deutlichsten auf ein Alterswerk hindeuten (Schreiber & Leser).
Seit den späten 70er Jahren gibt es den Trenchcoat-tragenden Detektiv Canardo. Mit „Der Tod hat grüne Augen“ legt Benoît Sokal, der inzwischen gemeinsam mit seinem Sohn Hugo für das Szenario verantwortlich zeichnet, den 24. Band vor, der an den vorherigen anknüpft: Sein langjähriger Kumpel Kommissar Garenni ist tot. Und es scheint nicht nur, dass es Mord war, sondern es ist sogar wahrscheinlich, dass weitere folgen werden. Wie schon zuletzt bringt Sokal auch dieses Mal aktuelle politische Themen wie Rechtsruck und Flüchtlingskrise ein, ohne dass es aufgesetzt wirkt. Die Spannung und der Humor leiden darunter jedenfalls nicht, und das Ambiente ist düster wie eh und je (Schreiber & Leser). Die britische Illustratorin Jacky Fleming hat sich „Das Problem mit den Frauen“ genauer angesehen. Sie erklärt, warum Frauen in den Geschichtsbüchern nicht vorkommen – weil es keine gab. Und dass es später zwar ein paar gab, aber mit nur kleinen Köpfen – daher waren Männer Genies, während Frauen nur einfache Arbeit im Haus und Bergbau verrichten konnten. Fleming illustriert ihre kurzweiligen feministischen Ausführungen ebenso fantasie- wie humorvoll. Erscheint am 16.2. (KiWi).
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