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„Gabe/Gift“
Foto: Walter Mair

Vampirische Räume

28. März 2013

„Gabe/Gift“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 04/13

Seit seinem Erstling „(WILDE) Mann mit traurigen Augen“ inszeniert Händl Klaus den Verdacht als gesellschaftsstiftendes Moment. Kapitalverbrechen von Kindesmissbrauch bis Inzest lauern ständig in seinen Stücken, doch immer nur als Andeutung. Auch sein neues Stück „Gabe/Gift“ senkt das Lot wieder in die Dunkelzonen der Gesellschaft. Chefinspektor Otto Müllert samt Gattin Lore und Sohn Bert versuchen, einen Erfrischungsraum einzurichten. Zwischen den dreien tobt ein inzestuöser Wettstreit: Vater und Mutter beanspruchen den Sohn jeweils für sich. Dessen Frau, die Polizistin Barbara trifft bei einem Rundgang auf Markus, ebenfalls bei der Polizei, und dessen Freundin Ines, die beide nach einem Schatz graben. Das Duo tut sich mit den Müllerts zusammen. Doch die Grabungsreise in Nachbars Garten bringt wiederum Familie Zilcher auf den Plan, die nun ihrerseits auf Beteiligung scharf ist.

Für die Uraufführung am Schauspiel Köln wurde Anna Viebrock gewonnen, was dem Stück wider Erwarten nicht gut tut. Wie ein schwerer Koloss ruht Otto Müllert (Josef Ostendorf) auf einem Schlafsack. Keine Hilfe für Bert (Nikolaus Benda), der die schimmeligen Wände weiß streicht. Der Sohn legt sich wie ein Käfer auf den Vater, formiert sich später mit der Mutter (Marion Breckwoldt) zu einem Standbild der Rache. Anna Viebrock verdichtet das Geschehen in symbolischen, aufgeladenen Filmstills, die die Handlung einfrieren. Hinzu kommt, dass die Regisseurin sich mit der Stückpartitur schwertut, die die Dialogsätze oft Wort für Wort auf verschiedene Figuren aufteilt. Dem flirrenden Bedeutungsgewebe begegnet Viebrock mit einer fast mechanischen Abfertigung der Sätze. Das ist umso bedauerlicher, als die Musikcombo um Ernst Surberg und Simon Strasser eine fast rezitativische Musiktextur unter die Inszenierung legt. Die Auseinandersetzung mit dem vor der Bühne campierenden Paar Ines und Markus erschöpft sich dann in ironisch-autoritären Posen. Am Ende stehen sich drei Familien angesichts einer ausgegrabenen Silberdose missgünstig gegenüber. Wenn nun als Pointe der Raum vampirisch den Figuren das Leben aussaugen sollte, geht bei Anna Viebrock nur ganz prosaisch das Licht an. Selten waren Untergründe so offensichtlich und spannungslos.

„Gabe/Gift“ von Händl Klaus | R: Anna Viebrock | Schauspiel Köln | 11.-14.4. 19.30 Uhr | www.schauspielkoeln.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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