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„Oh it’s like home“
Foto: H. & C. Baus

Vergeblichkeitstakt

28. Februar 2013

„Oh it’s like home“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 03/13

Sind das nur die bekannten Demütigungen der Kindheit, die zum späteren Narbengeflecht der Seele führen, oder ist das schon Folter? Ein junger Mann stellt Teller mit Kuchenstücken auf einen Tisch. Vier Kinder, die hintereinander in einer Reihe stehen, lassen ihn und die Jause nicht aus den Augen. Dann steuern sie wie von der Schnur gezogen am Tisch vorbei und stellen sich mit dem Gesicht vor die Wand. Die Köpfe zucken zwar magisch immer wieder zum Kuchen zurück, doch der Mann räumt den Tisch einfach wieder ab.

Was machen diese Figuren im Souterrain des aufgeschnittenen Siebzigerjahre-Chalets mit Kachelboden und Schrankwand, das Duri Bischoff für die Kölner Halle Kalk entworfen hat?
Egon, Ilse, Gunda und Hanna heißen die vier einsamen Gestalten in Sasha Raus Stück „Oh it’s like home“, eine poetische Fantasie ohne funktionierende Dialoge oder greifbare Themen. Da albträumt Egon (Josef Ostendorf) vom Besuch desinteressierter Verwandten im Kinderheim; die bodenständige Hanna der Bettina Stucky erinnert sich an notgeschlachtete Tiere im Schlachthof und sieht plötzlich ihre eigenen Kleider dort hängen. Gunda wiederum, die von der Autorin selbst gespielt wird, ist in einer Reinigung aufgewachsen und fühlt sich imprägniert bis ins Innerste. Das Stück der 42Jährigen irrlichtert zwischen düsterer Traumlogik und schwarzer Pädagogik, und wäre nicht Ehemann Christoph Marthaler als Regisseur mit von der Partie, wäre die dichterische Seifenblase einfach nur zerplatzt.

Marthaler dreht die Petitesse durch seine musikalische Melancholiemaschine (am Klavier: Bendix Dethleffsen), die neben Skurrilität durchaus auch Brutalitäten bereithält. Wenn Egon plötzlich auf einem Stuhl in einem Schrank sitzt, ruft das Erinnerungen an elterliche Strafgerichte herauf. Dass alle Figuren immer wieder im Gefängnisraum hinter der Schrankwand eingesperrt sind, lässt an Schlimmeres denken. Vor allem die Ilse der zarten Silvia Fenz stellt sich immer wieder unter die wärmende Lampe, die einsam im Raum hängt, oder steckt auch mal den Kopf in den Kamin, um ein Buch zu lesen. Doch selbst die Marthalersche Szenenmusik im Vergeblichkeitstakt kann letztlich nur momentweise über das ziellos-dunkle Raunen des Stücks hinwegtäuschen.

„Oh it’s like home“ von Sasha Rau | R: Christoph Marthaler | Schauspiel Köln/Halle Kalk | 28./30.3./1.4. 19.30 Uhr | www.schauspiel-koeln.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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