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„Deutlich weniger Tote“
Foto: MEYER ORIGINALS

Wenig Sprengpotential

28. Februar 2013

„Deutlich weniger Tote“ im FWT – Theater am Rhein 03/13

Es hat Jahre gedauert, bis die deutschen Politiker eingestehen konnten, dass dieses Land Kriege führt. Erst die Verteidigungsminister Jung und Guttenberg rangen sich zu dem Geständnis durch. Dass da nicht nur Feigheit, sondern handfeste Gründe im Weg standen, kann man jetzt im FWT lernen: Die Versicherungen zahlen nur, wenn Soldaten in einem „kriegsähnlichen Zustand“ sterben, nicht wenn sie im Krieg fallen. Apropos: Darf man überhaupt von „Gefallenen“ sprechen? Wenn ja, sind die Soldaten für Deutschland gefallen? Wohin man also sieht, vermintes Terrain.

Ausgangspunkt des Kriegsabends von Judith Kriebel ist Falk Richters kurzes Stück „Deutlich weniger Tote“. Ein verhörartiges Gespräch in ferner Zukunft, das die Ergebnisse einer Art „Unser globales Dorf soll schöner werden“-Wettbewerb protokolliert. Die Nachbarn sind überall sehr nett, hin und wieder Attentate, aber weit weniger als früher. Valentin Stroh und René Wedeward treffen den Ton emphatischer Indolenz genau, der über Kollateralschäden wie übers Wetter redet. Nach zehn Minuten ist der Verhörspuk vorbei, und dann robben die Darsteller durchs Unterholz realer und literarischer Kriege. Shakespeares „Heinrich V.“ hat einen Auftritt, ein Quiz zum 1. Weltkrieg wird am Overhead-Projektor absolviert, Ernst Jünger darf nicht fehlen, man erfährt etwas über Merkel und das militärische Oberkommando. Beeindruckend ein Dialog aus Sarah Kanes „Zerbombt“, in dem René Wedeward als Soldat bedrohlich die Verrohung durch den Krieg spürbar werden lässt. Nach jeder dieser Szenen allerdings kippt der Abend in inszenierte Schauspieler-Streits, die aber nie nur pseudoauthentische Wortblasen gewürzt mit hohler Emphase liefern. Hinzu kommt, dass die Argumente für den Krieg entschieden zu kurz kommen, man ist an diesem Abend von Beginn an auf der richtigen Seite. Überzeugend gelingen dagegen die Spielszenen, wenn die Darsteller Arm in Arm als deutsche Staaten nach 1989 sich von einer netten Frauenstimme zu immer ausufernden Kriegseinsätzen überreden lassen. Oder wenn schlicht Fakten wie die über das deutsche Maschinengewehr G 36 und die deutsche Waffenindustrie präsentiert werden. Fazit: In diesem Kriegsabend wäre mehr Sprengpotential gewesen.

„Deutlich weniger Tote“ nach Falk Richter | R: Judith Kriebel | Freies Werkstatt Theater | 13./14.3. 20 Uhr | www.fwt-koeln.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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