Der Amerikaner Jay Asher schrieb mit seinem Jugendroman „Tote Mädchen lügen nicht“ einen Weltbestseller. Die Idee zum Buch entstand während eines Museumsbesuchs, als ihm die Stimme seines Audio-Guides beschrieb, was er vor sich sah. Die Welt wirkt rätselhaft auf uns, da kann es schon nützlich sein, wenn einem jemand erklärt, welche Zusammenhänge sich hinter dem Augenschein verbergen. Der Roman erzählt von Clay, der aus der Schule nach Hause kommt und ein Päckchen mit 13 Kassetten findet. Er legt die erste ein und hört die Stimme seiner Klassenkameradin Hannah, die sich vor zwei Wochen das Leben genommen hat. Eine Art Abschiedsbrief, in dem sie über jene 13 Gründe spricht, die sie zu ihrer Tat geführt haben. Clay ist einer davon, dabei hat er sie heimlich geliebt.
Ein Stoff, wie gemacht für das Theater. So sieht es auch Moritz Seibert, der Ashers Roman bearbeitete und mit dem Jungen Theater Bonn als szenische Lesung präsentiert. „Wir verbinden zwei kontinuierliche Erzählerstimmen mit Spielszenen, die im klassischen Stil gehalten sind. Den Part der Erwachsenen, die in Hannahs Bericht vorkommen, übernehmen zwei professionelle Schauspieler, dazu gibt es vier Rollen für Mitglieder des Nachwuchsensembles“, erklärt Moritz Seibert. Die jungen Leute sind mit Eifer bei der Sache, zumal die Arbeit an dieser Produktion eine neue Herausforderung im Umgang mit einem großen Textvolumen darstellt. „Auch wenn es ihnen Spaß macht, so treibe ich sie während der Proben schon manchmal zur Verzweiflung“, gesteht Seibert, „da der Text gesprochen und nicht nur gelesen werden muss. Jeder Satz braucht seinen Klang und seine inhaltliche Klarheit. Ob eine Wahrheit schon zur Erkenntnis geronnen ist oder erst noch gefunden werden muss, hört man sofort“, erklärt der Intendant des Jungen Theater Bonn. Hier wird halt nicht geplaudert, vielmehr geht es für Hannah um eine Generalabrechnung und Seibert spürt, wie sehr der Text seine Akteure fordert und sich ein ums andere Mal hinter der Story ein doppelter Boden öffnet. „Der Roman ist literarisch sehr differenziert angelegt, schnell übersieht man die Vielschichtigkeit seiner Motive, und er besitzt auch den Klang der Teenagersprache“, erklärt Moritz Seibert.
Der Reiz dieser Geschichte liegt denn auch in jenem schillernden Bild, das sich während des Erzählens von Hannah entwickelt. Sie war eine Außenseiterin, das böse Wort von der „Schlampe“ wurde ausgestreut. Eine Verleumdung, mit der sie gezeichnet wird, und die sie nicht mehr abzustreifen vermag. Im Stillen war Clay in sie verliebt, aber er hat seine Zuneigung nicht zeigen können, auch er ist eingeschwenkt in die Schablonen und den Gruppenzwang der Clique. Nun entdeckt er ein Mädchen, das wesentlich empfindsamer war, als jeder in seinem Umfeld sich vorstellen konnte. Fatal greifen die Missverständnisse ineinander, denen auch Hannah aufsitzt.
Für Moritz Seibert offenbart sich die Komplexität der Geschichte in der Frage „Wer hat sich falsch verhalten, und was hat das Mädchen falsch verstanden?“ Die psychologische Disposition gibt der Story letztlich ihren Drive, obwohl man weiß, wie das Ende ausschaut. Aber der Blick, mit dem Jay Asher in die Mechanik des Alltagsgetriebes schaut und uns zeigt, wie ein Rad nach dem anderen in Bewegung versetzt wird, fasziniert die Leser. Dass die Besucher des Jungen Theaters von dieser Dramatik in Bann geschlagen werden, hängt auch davon ab, wie gut es gelingen wird, die Orte, die Clay während seiner nächtlichen Wanderung aufsucht, innerhalb der szenischen Lesung zu etablieren.
„Tote Mädchen lügen nicht“ I 14.(P)/15./28.6.I Junges Theater Bonn I 0228 46 36 72
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