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Foto: Peter Ritter

Das Ich als Projektion

01. August 2022

„Fassaden“ am Studio Trafique – Theater am Rhein 08/22

Ein Mann in einem Krankenbett, das Herz wummert hörbar, die Ängste fahren Karussell – und dann folgt der Kopfsprung in den mentalen Overkill eines „stream of consciousness“. Das Studio Trafique, also das Team um Schauspieler und Regisseur Björn Gabriel, richtet mit dem Start in seiner neuen Spielstätte in Nippes allmählich auch ältere Stücke auf die neue Location in der Merheimer Straße ein. So auch „Fassaden“, das zwar ganz die Züge des in der Corona-Pandemie weiter entwickelten Live-Video-Theaters des Ensembles trägt, aber noch für einen anderen Raum entwickelt wurde. Die Hauptfigur, verkörpert von Björn Gabriel und Stephan Weigelin, gerät in einen Malstrom der Assoziationen, die von Identität über Theater, Internet, Globalisierung bis zu Krankheit reichen. Da labt sich der „Patient“ an einem Buffet, flüchtet ins Foyer, kriecht unter Tische – immer verfolgt von einer Livekamera und Anna Marienfeld als reichlich dubioser Schwester bzw. Ärztin. Es sind eher Motive einer Geschichte als ein Plot: Es geht um die völlige Überforderung eines Mannes, die durchaus auch gesellschaftliche Gründe hat. Zugleich schimmert auch ein Vater-Sohn-Motiv durch das Setting. Manches weist schon auf den späteren „Lenz“-Abend der Truppe voraus.

Illustriert wird die allmähliche Dissoziation des Ichs des Protagonisten durch bis an die Grenzen der Wahrnehmung verfremdete Videoprojektionen, die auf einen Kubus projiziert werden. Unschärfen, Überblendungen, Vervielfachungen verbinden sich mit Liveaufnahmen. Das Kubus-Innere dient zugleich als Spielort für Szenen, die etwas antiquierte Schreckensbilder der Psychiatrie heraufbeschwören. Links daneben ein Zelt als „Krankenzimmer“. Der Titel „Fassaden“ ähnelt eher einem Irrweg, bedient er doch unsere liebgewonnene bürgerliche Illusion, unsere Subjektkonstitution hätte etwas mit Außen und Innen, Fassade und Kern zu tun: Der Videoeinsatz legt schon zwingend nahe, dass das bürgerliche Ich letztlich nur eine Projektion sein kann. Auch wenn im Überschwang gelegentlich die dramaturgische Stringenz ein wenig verloren geht und die Mittel sich verselbstständigen – dem Reiz des Live-Video-Theaters tut das keinen Abbruch.

Fassaden | R: Björn Gabriel | weitere Termine im Oktober | studio-trafique.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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