Eine bisher ungehörte Absage an die Überhöhung der Spezies Mensch sendet der Konzertkeller 647FM in Form der „Nano Operas“ von Paradeiser Productions durch den Äther. In den subkutanen Regionen der Radiostation sprechen Nebel, flüstern Abgründe, triumphiert Zeit, betört Nacht, singen Pilze, pocht Wasser und zirpen Zwirne in Form verlängerter (Über-)Lebensstränge. Als multiple „Musiktheaterminiaturen über Ereignis und Echo, Wale, Pilze, Magie und Verlust“ angekündigt, spinnt sich im Dunkeln des Raums ein Orakel, das nach enervierenden akustischen Frequenzen als träumerisches Abbild des Ichs über den Rand der Wahrnehmung wandelt.
Als Grundlage der rund 90-minütigen Darbietung dienen Texte von Tetiana Kytsenko, Olha Mazjupa, Iryna Harets, Julia Gonchar vom Theater der Dramatiker:innen Kyiv. Die Zuschauer:innen respektive Zuhörer:innen tauchen unmittelbar in das Geschehen an verschiedenen Stationen ein und werden nicht nur Teil der Geschichte, sondern auch der Bühne. Die scheinbar zusammenhangslosen Szenen mit einer Naturwissenschaftlerin, einem zaubernden, musizierenden Cowgirl, einer Tänzerin sowie einer Märchenerzählerin spielen mit Gleichnissen und Bildern, die sich an kosmischen Zyklen orientieren. Wasser, Licht, Atome, Elektrizität erzeugen in der Location spürbare Bewegung, schaffen Verbindungen und schärfen das Bewusstsein, aus denen sich der Mensch erhebt, um wieder zu vergehen. Im intimen Kreis verbringen die Besucher:innen hier Zeit mit Pilzen, die mittels angeschlossener Membranen auf dem Nährboden ihrer Erde vehemente Impulse verlautbaren. Vielleicht wundern sich die Myzeten ebenso wie die Menschen über das ungewöhnliche Rendezvous auf Augenhöhe. Entspannung versprechen in der spärlich eingerichteten Theaterstätte üppige Schlafsäcke, die sich bei genauerem Betrachten als Leichensäcke entpuppen. Der temporäre Schlaf spielt eine der Hauptrollen im Stück, entwachsen ihm doch epische Erzählungen über den Ursprung allen Seins. Im Spannungsfeld jener Mystik werden die Gäste mit Realitäten konfrontiert: Krieg, Flucht, Verlust und Identitätssuche prägen die weiteren Haltepunkte auf einem Trip durch den Nachbargarten von Eden. Das junge Ensemble fungiert dabei als empfindsame Reiseführer:innen. Nano Operas: Ein brüchiger, schwarzer Monolith, dessen Klänge Seelen vibrieren lässt.
Nano Operas | 29.7. | Image Festival, Pathos Theater München | 30.9., 1., 2.10. je 18 + 20 Uhr, Konzertkeller 647FM Köln | www.paradeiserproductions.com
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