„Der Winterjazz ist keine Nachwuchsförderung. Bands können sich bewerben, wir suchen aber auch aktiv, was passen könnte und stilistisch interessant ist“, stellt die Programmverantwortliche Angelika Niescier gleich zu Beginn klar. „Keine Gruppe spielt zweimal.“ Auch beim siebten Mal ist dem Stadtgarten eine beeindruckende Auswahl Kölner Jazzbands gelungen. Den Auftakt im Konzertsaal macht das frisch gegründete Trio Aurora, drei junge Jazzer, die mit ihrer Ausdruckskraft beeindrucken. Lucas Leidinger gibt sich dem Piano ganz hin. Sebastian Gille spielt Saxophon und Metallklarinette mit selten gesehenem Körpereinsatz. Fabian Arends an den Drums passt sich einfühlsam dem Spiel seiner Kollegen an. Das erste Stück „Indigo“ ist avantgardistisch-expressiv, das zweite „Breathe“ lyrisch-dissonant, das dritte „Abraxas“ verinnerlicht mit fast orientalischer Anmutung, das vierte „Literal“ atonal-gefühlvoll und das fünfte „In Frequency“ leidenschaftlich.
Danach entert das Trio Tobias Weindorf (p), Gunnar Plümer (b) und Peter Weiss (dr) die Bühne, allesamt lebende Legenden. Während Plümer sich zu Beginn merklich auf die Noten konzentriert, spielt Weiss mit Freude und zunehmend strahlendem Lächeln. Die ersten Stücke „You Never Know“ und „Offday“ sind Kompositionen von Weindorf, die abwechselnd melancholisch-getragen und minimalistisch-innig wirken. Deutlich wird das gute Zusammenspiel der drei, die 2017 die Platte „Stories to Be Told“ eingespielt haben. Das dritte Stück „If Only I Had Known“ ist dem 2015 verstorbenen Jazzpianisten John Taylor gewidmet, der an der Kölner Hochschule für Musik und Tanz unterrichtete. Das letzte Stück „Bopschka“ wird mit Verve und Speed interpretiert, insbesondere Peter Weiss zeigt allen, wo die Latte hängt, und das Publikum dankt es ihm.
Im Stadtgarten-Restaurant spielt inzwischen die Band Perfektomat, die peruanische und lateinamerikanische Einflüsse verrät. Kontrabassist Joscha Oetz hat sieben Jahre in Lima verbracht. Die peruanische Cajón, zu Deutsch Kistentrommel, wird von Laura Robles meisterlich bearbeitet. Matthew Halpin begeistert mit seinen Saxophon-Soli, ebenso Bodek Janke am Schlagzeug. Der Sound erinnert mal an die 1950er Jahre, mal an legendäre Bars in Havanna; das Publikum lässt sich vom beschwingt-lockeren Jazz mitreißen.
Dann geht es weiter ins Studio 672, wo das Zuzana Leharová Quartett aufwartet. Die aus der Slowakei stammende Geigerin hat sich mit Constantin Krahmer (p), Joscha Oetz (b) und Nils Tegen (dr) Musiker an die Seite geholt, die ihre anspruchsvolle Spiellust teilen. Die Geige ist für Jazz eher ungewöhnlich, noch mehr überrascht, was Leharová alles aus ihr herausholt. Die Variationsbreite von dissonant bis harmonisch erstaunt. Es lassen sich Anlehnungen an Balkanklänge finden, etwa im Pfeffer schneller Läufe oder in romantischen Passagen. Im Stück „Pokušenie“ (zu Deutsch „versuchen“) verbinden sich flirrende, zum Teil atonale Töne zu einem klingenden Ganzen. Das Publikum ist von der erstaunlichen Mischung begeistert.
Weiter geht’s auf die andere Straßenseite zur rappelvollen Umleitung, wo Jens Böckamp (ts, ss) und Vitaliy Zolotov (git) den Gästen einheizen. Leider nur den vorderen Reihen. Hinten im Einzugsgebiet der Tür ist es bitterkalt, die Musik wird vom Stimmengewirr überlagert. So toll die Soli von Zolotov auch sein mögen – so sind sie nicht zu genießen. Der Rückzug führt ins benachbarte Zimmermann‘s, wo das Mengamo Trio mit Sebastian Scobel (org), Philipp Brämswig (git) und Bodek Janke (dr) die Zuhörer mit elektronischen Techno-Rhythmen begeistert. Doch auch hier sind Kellerraum und Galerie so voll, dass ein Musikgenuss kaum möglich ist. So findet ein begeisterter Slalom durchs Programm ein eher laues Ende. Doch der Gästeandrang ist die beste Existenzbestätigung für den „Jazz-Probier-Marathon“, der laut Angelika Niescier bisher von Stadt Köln und Land NRW, nun aus dem Budget des Stadtgartens als Europäischem Zentrum für Jazz und aktuelle Musik finanziert wird. Beeindruckend beim Winterjazz sind jedenfalls Variationsbreite und Vielfalt des Gebotenen.
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