Worte = Ausdruck = Aktion/Reaktion = Lüge/Wahrheit. Das Leben ist Mathematik. Absolutes oder Bedenkliches sind Faktoren. Ergebnisse bleiben relativ. Bei leicht erlernbarer Unterwanderung der Emotionen ist selbst die eigene Existenz zweifelhaft. Dem Faktum „Ich!“ steht ein versetztes Fragezeichen hintenan. So auch dem thebanischen Feldherrn Amphitryon, der nach siegreicher Schlacht gegen die Athener zu seiner Gattin Alkmene zurückkehrt. Diese verkehrte jedoch bereits die Nacht vor seiner Ankunft mit ihm (dem Gott Jupiter in seiner Gestalt).
Dem antiken Stoff wandte sich in seiner Adaption vor mehr als 200 Jahren meisterlich Heinrich von Kleist zu. Jenes Werk diente nun als Vorlage für die Bearbeitung von Regisseur Kieran Joel am Theater im Bauturm und besiegelt eine fantastische Entmystifizierung des Theaters. Nach dem Verzug des Schleiers aus der Nebelmaschine offenbart sich nicht nur die Bühne als Staffage für Künstlichkeit. Von Anbeginn hämmern Leonie Houber und Felix Witzlau ihren Zuschauern den Schein der Authentizität ins Bewusstsein. Alle Rollen, und damit Identitäten, sind austauschbar. Sie werden besetzt und gespielt, selbst die des Publikums. Aus der vermeintlichen Tragik entsteht im besten Fall Komik und so eine gesündere Variante als ein dem ästhetischen Ideal geschuldeter Untergang der Protogonisten. Die komplette Demontage überbordender menschlicher Selbstsicherheit und Arroganz legt dabei liebenswerte Seelen frei, die von einem furiosen Duo Houber/Witzlau mittels chiffrierter Liebesakte im Minutentakt erzeugt und geboren werden. Eine radikale Illusion = genial.
Amphitryon. Ein metaphysisches Gedankenspiel nach Kleist | R.: Kieran Joel | 29., 30., 31.5., 23., 24., 25.6. | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
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