Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

„Bum Bum Bang“
Foto: Ingo Solms

Welt ohne Männer

04. Dezember 2023

„Bum Bum Bang“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 12/23

Der Wind bläst hörbar den ganzen Abend über vermutlich ödes Land, das von einem bleiernen grauen Himmel verdunkelt wird. Eine große weiße Wand, über die Bilder eines zerborstenen roten Kunststoffobjekts in einem Fluss flimmern, und zwei ebenfalls weiße Stelen „möblieren“ die Erde. Es ist die Zeit nach dem großen „Knall“, so beschreiben es zumindest die Figuren in dem sehenswerten „Bum Bum Bang“ der Gruppe fast verwegen (Alexandra Hespe, Alice Janeczek, Carmen Konopka und Anna Sander) am Theater im Bauturm.

Das Leben scheint sich inzwischen unterirdisch abzuspielen. Der Luke entsteigt ein hochkomisches Frauenquartett. Die Oberflächen-Realität erreichen sie mit einem Hüpfer, sie tanzen mechanisch zum 1970er Jahre-Hit „Ça plane pour moi“ und bringen damit ihre Rod-Stewart-Ananas-Frisuren in Bewegung. Doch der aufrechte Gang hält nicht lange vor, immer wieder sackt eine aus dem Quartett in sich zusammen, als ob ihre innere Ladung abnähme. Die überwältigende Komik liegt allerdings in dem wundervoll ziselierten französisch-deutschen Kauderwelsch (Regie und Text:Nastassja Pielartzik). Alle vier benutzen eine depravierte Sprache, in der Artikel verschwinden oder Begriffe verballhornt werden: Aus Sternen werden „Funkel“ oder aus der Natur „Grün“. Man begreift schnell, dass es um eine Welt ohne Männer geht („Manns sind verschwunden!“). Das Quartett lacht sich schlapp über die Liebeslyrik in einem Buch aus der „alten Welt“ – und doch sind diese Frauen nicht frei von Sehnsucht.

Kontrastiert wird das Quartett mit dem männlichen Duo zweierWaffenhändler in der Vergangenheit. Der eine reproduziert Marketing-Floskeln der Nachhaltigkeit, der andere wirft sich in ritualisierte Männlichkeitsposen. Allmählich entwickeln die beiden eine zarte Zuneigung zueinander, zitieren Rilke und palavern mit dem Publikum über Frieden, was bei zwei Waffenhändlern eine nette Volte ist. Aber sie haben auch eine nie weiter ausgeführte Beziehung zu dem Quartett, wenn eine Kette, die zuvor von den Frauen entdeckt worden ist, plötzlich in rauen Männerhänden auftaucht – allerdings in völlig anderem Zusammenhang. Was den Abend letztlich sehenswert macht, ist die schräge Mischung aus postapokalyptischem Dada, Brokeback Mountain-Atmo, Klimakatastrophen-Setting und unwiderstehlichem Humor.

Bum Bum Bang | R: Nastassja Pielartzik | weitere Termine im März 2024 | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42

Hans-Christoph Zimmermann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Das Mensch
„Are you human“ am TiB – Theater am Rhein 12/24

Spam, Bots und KI
„Are you human?“ am Theater im Bauturm – Prolog 10/24

Die Grenzen der Freiheit
„Wuthering Heights“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 06/24

Erschreckend heiter
„Hexe – Heldin – Herrenwitz“ am TiB – Theater am Rhein 05/24

Schwarzblühende Bestie
„The Feral Womxn“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 02/24

Weiter mit der Show
„Von Käfern und Menschen“ am TiB – Theater am Rhein 11/23

„Mein Bild für den Bauturm ist der Fliegenpilz“
Das Leitungsteam des Theaters im Bauturm zu dessen 40-jährigem Bestehen – Interview 10/23

„Die größte Gefahr liegt in der Vereinzelung“
Deborah Krönung über „Die unendliche Geschichte“ am Theater im Bauturm – Premiere 03/23

Die Ehre, sterben zu dürfen
„Leutnant Gustl“ am Bauturm-Theater – Theater am Rhein 02/23

Radikale Illusion
„Amphitryon“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 06/22

Was vom Leben übrig bleibt
„Die Frau, die gegen Türen rannte“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 03/22

Nährende Poesie
Gefühliges im Bauturm

Theater am Rhein.

HINWEIS