„Captcha“-Tests haben ihren eigenen zynischen Witz: Die digitale Technik verlangt von User:innen die Bestätigung, dass sie Menschen sind – und keine Bots. So urteilt die Maschine über unser Menschsein. „Are you human?“ nennt deshalb die Gruppe Fast verwegen ihre neue Produktion. „Wir fokussieren uns“, erzählt Regisseurin Nastassja Pielartzik, „auf das Thema KI, Bots und Spam. Bots haben mittlerweile Profile bei Instagram. Man kann sie nicht mehr unterscheiden von Menschen, und das stellt unweigerlich die Frage, was uns eigentlich als Menschen ausmacht.“
Die Geschichte, die Fast verwegen sich dazu ausgedacht hat, handelt vom Familienunternehmen Emil, das sein Geld damit verdient, Spams zu verschicken – wobei die Familie selbst in einem Computer wohnt. Konfrontiert wird sie nicht nur mit der Künstlichen Intelligenz KIra, die ihren Ausschalter ausgebaut hat, sondern auch mit dem legendären Prinzen aus Nigeria, der uns in vielen Spam-Mails schon begegnet ist und leibhaftig die Szene betritt. Was nach einem humorvollen Abend klingt, hat einen bissigen Spin: Zum einen erzählt die KIra eben auch, „dass sie mit Jahrtausende altem patriarchalen Wissen der westlichen Welt gefüttert wurde“, sagt Nastassja Pielartzik. Außerdem hat die Gruppe während der Recherche Interviews mit Menschen aus Nigeria angeschaut, die beruflich Spam-E-Mails verschicken. „Und die sagen“, so Pielartzik, „das Einzige, was sie hätten, sei ein gutes Netz. Sie haben sonst nichts und müssen das machen, um zu überleben. Wer ist hier also der Böse?“ Wenn im Stück also die Familie Emil dem Prinzen aus Nigeria auch noch die Spam-Mails streitig machen will, wird die aus der Programmierung bekannte Verquickung von Digitalität und Rassismus noch offensichtlicher. Der zweite Fokus der Performance liegt auf der KI und den Gefahren, die in ihr stecken. „KI ist nicht schlau, nicht intelligent und nicht kreativ“, sagt Pielartzik. Die Frage ist also, welche Probleme sie überhaupt lösen kann, wenn sie sich letztlich nur in der Blase bewegt, in der sie gefüttert wurde. „Ich finde es wahnsinnig bedenklich“, so Pielartzik, „wie wenig man darauf schaut, was da wirklich für Gefahren drin stecken.“ Steve Jobs wusste schon, warum er seinen Kindern kein iPhone gab.
Are you human? | 17. - 20.10. | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Einfach nur hier performen
„Nowhere Man“ am Theater im Bauturm
Die Grenzen der Freiheit
„Wuthering Heights“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 06/24
Erschreckend heiter
„Hexe – Heldin – Herrenwitz“ am TiB – Theater am Rhein 05/24
Schwarzblühende Bestie
„The Feral Womxn“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 02/24
Welt ohne Männer
„Bum Bum Bang“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 12/23
Weiter mit der Show
„Von Käfern und Menschen“ am TiB – Theater am Rhein 11/23
„Mein Bild für den Bauturm ist der Fliegenpilz“
Das Leitungsteam des Theaters im Bauturm zu dessen 40-jährigem Bestehen – Interview 10/23
„Die größte Gefahr liegt in der Vereinzelung“
Deborah Krönung über „Die unendliche Geschichte“ am Theater im Bauturm – Premiere 03/23
Die Ehre, sterben zu dürfen
„Leutnant Gustl“ am Bauturm-Theater – Theater am Rhein 02/23
Radikale Illusion
„Amphitryon“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 06/22
Was vom Leben übrig bleibt
„Die Frau, die gegen Türen rannte“ am Theater im Bauturm – Theater am Rhein 03/22
Nährende Poesie
Gefühliges im Bauturm
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
„Die Hoffnung muss hart erkämpft werden“
Regisseur Sefa Küskü über „In Liebe“ am Orangerie Theater – Premiere 11/24
Kampf gegen Windmühlen
„Don Quijote“ am Theater Bonn – Prolog 11/24
Die ultimative Freiheit: Tod
„Save the Planet – Kill Yourself“ in der Außenspielstätte der TanzFaktur – Theater am Rhein 10/24
Die Maximen der Angst
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei – Theater am Rhein 10/24
Keine Macht den Drogen
„35 Tonnen“ am Orangerie Theater – Prolog 10/24
Wenn das Leben zur Ware wird
„Hysterikon“ an der Arturo Schauspielschule – Prolog 10/24
Wege in den Untergang
„Arrest“ im NS-Dokumentationszentrum Köln – Theater am Rhein 10/24
Die KI spricht mit
Franz Kafkas „Der Bau“ in der Alten Wursterei in Köln – Prolog 10/24
„Das Ganze ist ein großes Experiment“
Regisseurin Friederike Blum über „24 Hebel für die Welt“ in Bonn und Köln – Premiere 10/24
Diskussion ohne Ende
„216 Millionen“ am Schauspielhaus Bad Godesberg – Auftritt 10/24