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„Mixtape“
Foto: Laura Schleder

„Aufnehmen – Abspielen – Überspielen“

25. Juni 2015

Pandora Pop bereiteten ihre Produktion „Mixtape“ am Freien Werkstatt Theater vor – Premiere 07/15

Auch Köln hat inzwischen seine Flausen. Unter dem Namen „flausen – young artists in residence“ bietet der Oldenburger Theaterleiter Winfried Wrede vierwöchige Recherche-Stipendien für feie Gruppen an. In Niedersachsen, aber auch in NRW. Als Unterstützung gibt es 1400 Euro pro Performer und 1000 Euro Forschungsetat. Flausen ist allerdings kein Selbstbedienungsladen. Es muss ein Probetagebuch geführt werden, ein Mentor hat ein wachendes Auge über den Arbeitsprozess, und am Ende werden die Ergebnisse in einem „Making of…“ präsentiert. In Köln war jetzt die Gruppe Pandora Pop um Leiterin Anna Winde-Hertling zu Gast, die für ihre neue Produktion „Mixtape“ geforscht haben.

choices: Frau Winde-Hertling, Frau Schmidt, warum hat sich Pandora Pop bei Flausen beworben?
Anna Winde-Hertling: Ich habe das Flausen-Projekt über frühere Teilnehmer kennengelernt, die mich ermutig haben, mich zu bewerben. Flausen ist ja ein Forschungs- und kein Produktionsformat. Die Bewerbung zwingt einen dazu, die Projekt-Idee in seiner Essenz zu skizzieren und genau zu benennen, was man erforschen möchte. Man braucht eine inhaltliche wie auch eine ästhetische Fragestellung. Unsere Fragen lauteten zum Beispiel: Kann man über die Auseinandersetzung mit Erinnerungen, zum Beispiel an ein Theaterstück, eine Methode erarbeiten, mit der sich Gegenwart gestalten lässt? Kann die Erinnerung an ein Ereignis selbst zum Ereignis werden?

Worum geht es konkret in „Mixtape“?
AWH: „Mixtape“ ist als Vermittlungsformat für Kunst- und Kulturfestivals gedacht, das in Rahmenprogrammen stattfinden soll. Wir wollen mit den Zuschauern auf gleichberechtigter Ebene sprechen und deren Eindrücke von Stücken sammeln. Das Publikum begreifen wir dabei als Autoren und Komplizen, deren Material wir später in eine Präsentation auf der Abschlussparty des Festivals künstlerisch umzusetzen versuchen. Wir verstehen uns dabei als Transmitter.

Wie verläuft Ihre Forschung?

Pandora Pop
Foto: Laura Schleder

Pandora Pop ist ein Verbund von Künstlern in München, Berlin und Köln. Die Gruppe wurde 2004 am Dartington College of Arts (UK) gegründet. Ihre Arbeiten changieren zwischen Theater, Performances und (Video-) Installationen, sind stark visuell geprägt und haben häufig choreografischen Charakter. Im Zentrum steht die Ästhetik des Alltags. Die Leitung hat Anna Winde-Hertling, in Köln waren außerdem dabei: Carolin Schmidt, Norman Grotegut und Gunnar Seidel.


Carolin Schmidt: Wir haben das in einen Dreischritt eingeteilt: Aufnehmen – Abspielen – Überspielen. Wir arbeiten an unterschiedlichen Methoden, Kontakt zum Publikum aufzunehmen. Die Befragung selbst ist schon eine Mischung zwischen Installation und Performance. Sitzen wir zum Beispiel in fliegenden Bauten und fragen die Zuschauer? Oder schaffen wir eine Situation wie in einer Kochshow, in der man eher nebenbei miteinander spricht? Und: Wenn die Zuschauer wissen, dass sie danach befragt werden, schauen sie anders, als wenn sie es nicht wissen. Und wir überlegen gerade, ob wir uns die Stücke auch anschauen sollen oder eher unwissend in die Befragungen gehen. All das probieren wir jetzt hier vor Ort aus.
AWH: Das Ziel ist ein Methodenkoffer, der uns hilft, für jede Art von Material eine konkrete Umsetzungsstrategie für die Bühne zu haben. Wir schauen, was wirkt auf der Bühne, was bringt einen Mehrwert, und was brauchen wir dafür vom Publikum. Und wie bekommen wir das? Wir brauchen gute Beschreibungen und stellen dann Fragen, die eher sekundär wirken. Zum Beispiel: Welches Musikstück würden Sie mit diesem Theaterstück in Verbindung bringen? Es geht also eher um Assoziationen.

Wie soll das Material dann in eine Performance umgesetzt werden?
CS: Wir nehmen die Antworten der Zuschauer mit dem Kassettenrekorder auf. Die Performer versuchen dann, das Material nachzuerzählen, es hörbar oder durch ein Reenactment sichtbar zu machen. Wir haben das Material mit Musik unterlegt, damit es einen Revuecharakter bekommt oder uns an Hitparadenästhetik abgearbeitet.
AWH: Man muss am Ende die Stücke nicht wiedererkennen. Es soll das widerspiegeln, was in den Köpfen der Zuschauer vor sich geht.

Warum überhaupt Kassetten und nicht digitale Speichermedien?
AWH: Kassetten haben einen hohen Nostalgiewert. Die meisten Menschen geraten bei ihrem Anblick sofort ins Schwelgen von Erinnerungen. Zudem sind sie ein Speichermedium, das veraltet ist. Damit stellt sich die Frage, wie wir uns in Zukunft erinnern werden. Das Mixtape ist sowieso schon eine Metapher. Sie sagt: Ich bin ein Kommunikationsmittel und es geht mir nur um dich. Unser ProjektMixtape“ ist auch eine Art „Best of“ und fängt eine Stimmung ein. Es bezieht sich auf einzelne Stücke, ist aber zugleich eine Gesamtkomposition. Was die Ästhetik anbetrifft, wird es sich zwischen einem Unterhaltungsformat und einer Lecture bewegen. Zugleich bekommen die Zuschauer selbst auch Anregungen, noch mal anders über das Gesehene nachzudenken.

Muss am Ende der Forschungen eine Produktion stehen oder reicht es, das Thema erforscht zu haben?
CS: Es muss am Ende keine Produktion rauskommen. Es wird ein „Making of“ geben, das aber keine Performance sein soll. Das Schöne bei Flausen ist, dass die Wochen, die einem geschenkt werden, es zulassen, auch Kleinigkeiten zu untersuchen. Bei einer Produktion hätte man gar nicht die Zeit, das so dezidiert zu erforschen. Wir haben sogar die Freiheit, auch Nebenaspekten, die sich ergeben, nachzugehen und daraus Ideen für andere Projekte zu entwickeln.
AWH: „Mixtape“ selbst ist allerdings schon so angelegt, dass am Ende irgendwann mal eine Produktion rauskommen soll.

Sie haben auch eine Mentorin an Ihrer Seite. Haben Sie sich Felizitas Kleine selbst ausgesucht?
CS: Gerhard Seidel vom Freien Werkstatt Theater hat uns Felizitas Kleine vorgeschlagen. Wir waren zuerst irritiert, weil sie jünger ist als wir, dann fanden wir das gut.
AWH: Man kann Vorschläge machen. Die Aufgabe der Mentorin ist, uns Fragen zu stellen, uns zu „stören“. Als ehemalige Favoriten-Leitung ist Felizitas Kleine perfekt für den Job. Und wir haben mit Pia-Maria Gehle noch eine dramaturgische Beratung, die uns vor allem organisatorisch hier in Köln hilft.
CS: Von Gerhard Seidel und Inken Kautter vom Haus bekommen wir ebenfalls viel Unterstützung. Vor allen Dingen, was interne Kontakte und Öffentlichkeitsarbeit angeht. Das ist unbezahlbar.

Wie unterscheidet sich der Probenprozess, wenn Sie ein Stück ganz normal im Probenraum oder hier bei Flausen entwickeln?
AWH: Da ich in München beheimatet bin, wo die freie Szene nicht so gut aufgestellt ist, bin ich daran gewohnt, selten an meinem Heimatort zu arbeiten. Pandora Pop hat immer dort gearbeitet, wo es Residenzen angeboten bekam.
CS: Wo wir probieren, ist eigentlich egal. Allerdings haben wir beide Familie und Kinder, und das müssen wir organisieren. Die Grundannahme in der freien Szene lautet leider immer noch, dass man mobil und flexibel sei.

INTERVIEW: HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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