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Zenagebriel Tekle aus Eritrea, Lutz Dursthoff (KiWi), Pfarrer Hans Mörtter und Helga Frese-Resch (KiWi)
Foto: Mario Müller

Willkumme!

03. Juni 2016

Diskussionsrunde im Rahmen des Birlikte-Vorprogramms über Kölner Willkommenskultur

„Mittwochsgespräche“ hieß in den 1950er Jahren eine Veranstaltungsreihe in einer Buchhandlung im Kölner Hauptbahnhof. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde hier die politische Debatte (wieder)belebt, was teilweise in heftige Diskussionen mündete. Auf diese Tradition verweisen die Lektoren Lutz Dursthoff und Helga Frese-Resch vom Verlag Kiepenheuer & Witsch, die einen Diskussionsabend im Rahmen von Birlikte moderieren – im Verlagshaus mit Blick auf den Kölner Hauptbahnhof. Großen Gesprächsbedarf erkannten die Mitarbeiter angesichts der politischen Lage, den Berichten toter Menschen im Mittelmeer und der durch Medien überlieferten Stimmung im Land. „(Wie) Können wir zusammen leben?“ heißt nun die Veranstaltung, die interessierte Besucher mit Aktiven der Kölner Willkommenskultur wie Pfarrer Hans Mörtter und mit Geflüchteten zusammenbringt.

Zenagebriel Tekle hat einen weiten Weg hinter sich. 2010 flüchtete der junge Mann aus Eritrea. Über den Sudan und Libyen gelangte er mit einem Schlauchboot nach Italien. Vor drei Jahren kam er über Hamburg nach Köln. Der Asylantrag Tekles ist bereits in Deutschland anerkannt, er hat eine Wohnung gefunden und versucht als nächstes, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Aus seiner Heimat bringt er bereits langjährige Berufserfahrung als Mechaniker mit und hätte schon seit Jahren hier arbeiten können.

In dieser Zeit versuchen freiwillige Helfer, von denen einige im Publikum sitzen und sich rege beteiligen, Aufgaben von der ersten Stunde an zu erleichtern. Vor allem Behördengänge seien sehr schwierig, oft werden Dolmetscher verlangt, die aber nicht bezahlt werden. Sprachkurse werden nur an Geflüchtete aus vier Ländern (Irak, Iran, Syrien und Eritrea) und in Form von Integrationskursen angeboten – und auch das erst nach der Anerkennung, die oft zwei Jahre dauert. Alle anderen Sprachkurse seien nur möglich durch ehrenamtliches Engagement, so Pfarrer Hans Mörtter von der Lutherkirche in der Kölner Südstadt.

Die Arbeit der Freiwilligen beschreibt er als „learning by doing“, bei der es einiges Konfliktpotential auch mit den Behörden gebe. Die starre Hierarchie der Kölner Stadtverwaltung trifft auf die eher lose organisierten Bürgerinitiativen, die hier oft unter dem Titel „Willkommenskultur“ zusammengefasst werden. Um die Zuständigkeiten von Stadt, Land und Bund abdecken zu können, wurde ein „Arbeitskreis Politik" gegründet, an dem alle diese Parteien teilnehmen sollen. Überhaupt scheinen sich die Aufgaben der Initiativen von den regionalen Problemen Schritt für Schritt höher in politische Ebenen erweitert zu haben: Fehlende Lehrkräfte für Deutschunterricht sind Ländersache, das Problem der langen Wartezeit auf Integrationskurse müsste bundesweit angegangen werden. Da verwundert es kaum, dass Pfarrer Mörtter sich eine Professionalisierung der Initiativen wünscht, mit hauptberuflichen Koordinatoren

In der Koordination mit den Behörden zeigen sich laut den anwesenden Helfern Verbesserungen, anfängliche Berührungsängste seien weniger geworden und man sitze nun mit zwei Vertretern auch am „Runden Tisch“ der Stadt. Vielleicht symptomatisch für die aktuelle politische Lage ist dagegen die Erkenntnis, dass die „große Politik“ dann doch eher in eine andere Richtung stößt. Das Ziel, weitere Menschen vor einer Flucht abzuschrecken lässt sich kaum mit einer Integration der hier bereits lebenden Geflüchteten vereinen.

Für die anwesenden Aktiven scheint das Engagement trotz der anstrengenden Arbeit eine Bereicherung zu sein: Pfarrer Mörtter hebt hervor, dass es durch die gemeinsamen Ziele und die neuen Freunde wieder mehr Austausch gebe zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen.

Die Veranstaltung bietet interessante Einblicke in ein großes Netzwerk aus ehrenamtlich engagierten Bürgern, ihr Selbstverständnis und die Zusammenarbeit mit den Behörden. Dass sie letztlich eher als Informationsveranstaltung funktioniert und weniger als Diskussionsplattform, liegt an den fehlenden Gegenstimmen. An mancher Stelle wünscht man sich einen Vertreter der Stadtverwaltung oder Landespolitik, der die Aufgaben und die Lösungsversuche aus deren Perspektive schildert.

Mario Müller

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