Rund aus roten Vorhängen, Fischgrätenparkett, ein paar Stühle. Ein Akustik-Bass intoniert „Bittersweet memories“ von Whitney Houston, immerhin, auch „I Will Always Love You“ flüstert Wolfgang Rüter alsJames Tyronebeim Zupfen an den Saitenin den sonst leeren Raum. Noch ist der Morgen jung undEugene O’Neills autobiografisches Drogensumpf-Drama „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ hat den Sternenhimmel noch längst nicht erreicht. Das ewige „nach den Sternen greifen“ war der Antrieb, der die Familie Tyrone wie immer in den Abgrund treiben wird.Regisseur Martin Nimz vom Mecklenburger Staatstheater hat aus dem Sommerhaus der Tyrones zumindest optisch einen Saal gemacht, der allerdings mit nichts als Bitterkeit und Schuldvorwürfen angefüllt wird – und mit langen Laufwegen. Das erste Geplänkel zwischen Mary und James bleibt eher harmlos, es geht ums Schnarchen und ums Schlafwandeln. Sophie Basse hat die Drogenabhängige, die gerade aus der Entziehungsanstalt heimgekehrt ist, noch locker im Griff; Heim ist ihr Stichwort, ein Hort ihrer Sehnsucht, ihr Grundübel für alles, und noch hat Edmund nur eine Sommergrippe. Wir wissen es bereits besser.
Nimz steuert die Personen ruhig und gelassen durch den Tag und durch den Raum, ab und an ein Gefühlsausbruch, ansonsten haben die Drogen bereits alle im Griff. Vorhänge bewegen Figuren, die Musikinstrumente bleiben eher Requisiten, für Hausmusik fehlt die Energie. Und doch ist diese Leere eine mächtige Fassade, die nur noch von Erinnerungen durchdrungen wird. Die Vergangenheit ist die Gegenwart und die Zukunft lässtEugene O’Neill seine Protagonisten sagen und denken, doch deren Scheitern rettet das nicht und der Autor weiß ja auch warum. Die Vergangenheit hängt wie das Damoklesschwert über allen. Sophie Basse ist ein wunderbarer Katalysator für alle Auseinandersetzungen, als Junkie sitzt sie gern im Nebel, der nach der Pause die Bühne füllt und für sie kurz eine Fantasiewelt kreiert, bevor Cathleen (Sandrine Zeller), die Haushaltshilfe, das eingefrorenen Elternpaar zur verbalen Abrechnung ansetzt und die Situation als frei gewähltes Schicksal outet. An Ursache und Wirkung und dem Whisky scheitern wie immer auch die Söhne (Sören Wunderlich und Gustav Schmidt). Alles solide, mehr nicht, nur die Bonn-Plattitüden nerven.
„Eines langen Tages Reise in die Nacht“ | R: Martin Nimz | 1., 16., 20.2. 19.30 Uhr, 24.2., 10.3. 18 Uhr | Theater Bonn | 0228 77 80 08
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