Ganz schön einsam wird es in der virtuellen Welt werden. Endlose DNA-Stränge, computergenerierte Sounds, eine 3D-Brille auf, in der Hand zwei Joysticks, kreieren wir Mutationen in einem Computerprogramm von William Latham. Der Brite ist mit seinem experimentellen Virtual-Reality-Kunstwerk noch ein paar Wochen Teil der „Pendoran Vinci“-Ausstellung im Düsseldorfer NRW-Forum und die sollte man sich nicht entgehen lassen, wenn man wissen will, wie weit die künstliche Intelligenz (KI) bereits in die Kunst eingegriffen hat. Dass sie uns täglich begleitet, wissen wir, seit euklidische Algorithmen in Bereiche vorgestoßen sind, in denen sie nichts zu suchen haben und doch finden. Wie man manche Software unterläuft, zeigt die US-Amerikanerin Carla Gannis in ihrem „Non-Facial Recognition Project“ (2011ff.). Dafür bearbeitet sie digitale Portraits von Menschen, die dann von einer Gesichtserkennungssoftware nicht mehr erkannt würden. Ihre Farbdrucke hängen wie Bilder an der Wand. Als Krönchen kann man die Software (Blippar-App) auch noch runterladen, um seine eigene Augmented-Reality-Version zu erleben.
Auch Barbie hat es in die Ausstellung geschafft. Mit ihr kann man sich seit 2015 auch unterhalten und die US-Amerikanerin Faith Holland entwickelt ihre Version imaginär immer weiter. Hello Barbie hängt auch am Internet, und so kennt sie sich mit der Realität aus. In Düsseldorf läuft für „Hello Barbie: The First Dispatch“ (2018ff.) nur ein Video und ein paar Devotionalien, die das generationsübergreifende Mattel-Produkt in eine historische Linie mit anderen weiblichen KIs setzen wollen. Ein gezogener Stecker signalisiert: Barbie geht es nicht gut. Zu viele Besucher, zu viel Input, das Püppchen ist beim Puppenspieler zwecks Reparatur – oder sollte man hier schon vom zweiten operativen Eingriff sprechen?
Sprechen ist ein gutes Stichwort. In der Videoinstallation „Co(AI)xistence“ (2017) von Justine Emard kommuniziert der japanische Tänzer und Schauspieler Mirai Moriyama von Angesicht zu Angesicht mit einem Roboter, der von einer auf einem neuronalen System basierenden primitiven Intelligenz animiert wird. Die hinterlässt bei dem einen oder anderen Betrachter sicher tiefe Spuren von Sprachlosigkeit und eine gewisse Portion Unbehagen, denn beide „Subjekte“, auch die Kohlenstoffeinheit, nutzen unstrukturierte Sprache und einfache Mimik. Doch die Borg sind noch weit, also keine Panik.
Etwas weiter findet man die Ergebnisse eines malenden Industrieroboters. Die Israelin Liat Grayver arbeitet mit dem an der Uni Konstanz entwickelten Kunst-KI zusammen, um deren Prozesse weiterzuentwickeln, aber das System Malerei zu hinterfragen. Eine Maschine kann ihre Bewegungen präzise wiederholen, Pinseldruck, Farbmenge, Ausdauer beim Linienziehen, ja die überbezahlten Malerfürsten müssen sich warm anziehen, und Jörg Immendorff hat es wohl schon 1966 geahnt als er „Hört auf zu malen“ pinselte. All das bewegt den Besucher, der sich auf eine Ausstellung einlässt, bei dem selbst der Titel von einem Online-Programm (neuronaming.net) generiert wurde. Programme werden also immer weiter über uns „wachen“. Wo bleibt Neo?
Pendoran Vinci. Kunst und künstliche Intelligenz heute | bis 19.8. | NRW-Forum Düsseldorf | 0211 892 66 90
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