Ich gebe zu, nicht jeder wird wohlrasierte Männerkörper an sich bereits als Kitsch abtun, von jedem Fußballmillionär gibt es so etwas schließlich als Sammelbild oder in diversen Onlineforen. Wenn diese Körper aber beispielsweise auf großformatigen Fotos von David LaChapelle auftauchen, ändert sich anscheinend der Blickwinkel des Betrachters, ein Bild wie „The Rape of Africa” von 2009 ist schlagartig abwertend konnotiert, zu bunt, zu lasziv, zu ja was weiß ich nicht alles. Momentan hängt es jedenfalls in Düsseldorf in der Ausstellung „Bling Bling Baby!“ im NRW Forum an zentraler Stelle. Der sirupsüße C-Print ist knapp drei Meter breit, dem wohlrasierten Männerkörper rechts sitzt Topmodel Naomi Campbell als Göttin Venus mit afrikanischem Goldhalsschmuck und auch nur halbverhüllt. Klar, da hatte LaChapelle (Jahrgang 1963), der jung von Andy Warhol in New York gefördert wurde, ja auch das Gemälde „Venus und Mars“ (Tempera um 1485) von Sandro Botticelli für die Allegorie benutzt. Farbige Jünglinge mit Kriegsgerät ersetzen die Putten, statt Lanze gibt’s eben die Panzerfaust. Alles ist grellbunt, niedlich, ein Spiegel der haltungslosen Medienwelt.
Über 100 Arbeiten von 33 Fotokünstlern sind im linken Flügel des Forums zu sehen, geschickt eingesetzte Trivialität als Maßstab aller Dinge, aber auch pure Freude und eine Welt, die solange mit Pop Art getränkt wurde, bis aller Ungemach vergessen. Künstlichkeit ist aller Laster Anfang, schon beim Eintritt erschlägt einen die überdimensionierte Fototapete aus dem Internet mit Kolibri und vegetativem Gewimmel. Der Titel der Ausstellung stammt von einem Hip-Hop-Hit aus dem vergangenen Jahrtausend, er hängt als Vinyl neben seinem Schöpfer B.G. (Foto: Mike Schreiber, New York 2007) an der Wand. Die Grenzen zwischen Style und Kommerz sind aufgehoben, Mode, Musik, Mainstream, nichts ist mehr heilig, nicht einmal Miss Piggy, die sich im stylischen Hollywood-Bling-Bling auf dem Bett im Ritz räkelt (vom Hamburger Fotografen Anatol Kotte, 2012) oder eine „heilige Nike-Tennissocke“. Nichts war allerdings auch jemals Kitsch, weder das belächelte Gelsenkirchener Barock oder der verlachte knatschbunte Gartenzwerg des Nachbarn. Schon gar nicht die grandiosen Fotografien der Ausstellung, egal aus welchem Blickwinkel man die Arbeiten betrachtet.
Manches revolutionierte die Modefotografie, wie Arbeiten von Pierre Winter, der auch schon mal Drag-Queens auf den Bug gerade untergehender Schiffe setzt (2002), Menschen abfackelt oder schick von Haien ziehen lässt. Klassisch sind bereits Pierre et Gilles, die mit ihrer älteren Pan-Adaption „Le Fluteur“ (2001) sehr gut in die Systematik passen, die mit vielen Arbeiten auch die Peripherie des Themas abdeckt, selbst ein „Darkroom“ (Nightshots) mit Diskokugel fehlt nicht oder Gesamtkunstwerke des schwedische Fotografenpaares Inka & Niclas, deren Felsenbilder immer ziemlich objekthaft werden. Am Ende des Rundgangs Portraits von Elton John mit Showgirls, Michael Douglas mit blauem Augenmakeup und ein weiß getünchter Jeff Koons mit floralem Kopfschmuck (alle Martin Schoeller, 2013). Na, wenn das kein gelungener Abschuss war.
„Bling Bling Baby!“ | bis 15.1. | NRW Forum Düsseldorf | 0211 892 66 90
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