Dass die Wurzeln von Hightech-Tierfilmern, die heute quer über den Globus drehen, bereits schon in Kinostreifen der Weimarer Republik liegen, werden die wenigsten Besucher der Ausstellung „Kino der Moderne“ in der Bonner Bundeskunsthalle vorher gewusst haben. Nach dem fast „experimentellen Rundgang“ durch eine schier magische Szenerie aus Gerüstbau und Lichtflimmern werden sie sogar wissen, dass die Anzahl von Film schaffenden Frauen in der Twilight Zone zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg enorm hoch war. Lola Kreutzberg drehte mit „Bali – Die Insel der Wunder“ bereits 1927 ihren ersten Expeditionsfilm. Aber auch andere Dokumente von Produzentinnen wie Liddy Hegewald, Drehbuchautorinnen wie Thea von Harbou oder Kostümbildnerinnen wie Aenne Willkomm belegen das ungerechterweise in Vergessenheit geratene Schaffen von Frauen hinter der Kamera.
Kristina Jaspers von der Deutschen Kinemathek in Berlin ist die Kuratorin der Ausstellung, die neben den expressionistischen Filmklassikern der Weimarer Republik, sagen wir mal zwischen Robert Wienes „Das Cabinet des Dr. Caligari“ (Stummfilm, 1920) und Fritz Langs „Metropolis“ (Stummfilm, 1927) und deren technische Herstellung auch das von der neuen, modernen Leinwandästhetik beeinflusste Schaffen der bildenden Kunst-Avantgarde abbildet, ohne den damaligen gesellschaftlichen Ist-Zustand des Darbens zu vergessen. Zugegeben, der filmische Exotismus von damals lässt heute fast schmunzeln, doch angesichts der erbärmlichen Folgen des Kolonialismus bis heute, sollte das Lachen sich verbieten.
Die Kommerzialisierung des Mediums Kino setzte schon früh ein. Schon damals gab es Produkt-Placements auf den riesigen Leinwänden, die Studios verkauften Reklamewände im Handlungs-Hintergrund. Im Film „Asphalt“ (1929) von Joe May wurden die Schaufenster für Product-Placement vermietet. In der Ausstellung beweist das ein Studio-Modell neben dem passenden Filmausschnitt an der Wand. Aber das „Kino der Moderne“ ist keine monothematische Filmschau. An jeder Ecke stehen und hängen innovative Ideen für Kameraführungen, die Kameras selbst und ganze Schnitt-Tische, da füllen Kostüme aus Produktionen Vitrinen, und Bilder und Fotografien dokumentieren den Aufbruch der damaligen gesamten Kunstwelt in die neue moderne Zeit, in der das Technische einen ganz neuen futuristischen Klang erhielt.
Kino der Moderne. Film in der Weimarer Republik | bis 24.3. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23
Die Mutter aller Musen
Aby Warburg in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 06/21
Die Schönheit bleibt nackt
Max Klinger in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 11/20
„Gerade jetzt sind Kunst und Kultur von hoher Bedeutung“
Patrick Schmeing, Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, über digitale Bilderwelten – Interview 05/20
Freude schöner Götterfunken
Beethoven in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 02/20
Fulminanter Start ins Jubiläumsjahr
Bonn feiert Beethoven – Bühne 12/19
Im Schleudersitz auf der Holzeisenbahn
Martin Kippenberger Retro in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 12/19
„Der politische Kampf spiegelt sich auch im Kino“
Kristina Jaspers über „Kino der Moderne“ in der Bundeskunsthalle – Interview 01/19
Flimmernde Bilder, die Menschen veränderten
„Kino der Moderne“ in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 01/19
Land der Geheimnisse
Die Nasca-Kultur in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunst 05/18
Zwischen Fleisch und Reinigungsmitteln
„The Cleaner“ – Marina-Abramović-Retrospektive in Bonn – Kunstwandel 05/18
Reise durch ein ganzes Leben
Pressekonferenz von Marina Abramovićs „The Cleaner“ in Bonn – Kunst 04/18
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24