Ja die Dietrich Marlene hatte schicke Kostüme, die ihre Rollen in diversen Filmen der Weimarer Republik aufwerteten und deren Wesen stilisierten. Und die ersten „Göttinnen“ des deutschen Films, neben der Dietrich auch Asta Nielsen, Pola Negri oder Leni Riefenstahl, machten nicht nur Werbung für Kosmetik, sie sackten auch gerne die Kleider ein, die sie im Film getragen hatten. „Sie brachten sie einfach nicht zurück“, sagt Kristina Jaspers, Kuratorin der Ausstellung „Kino der Moderne“, die jetzt in der Bundeskunsthalle zusammen mit der Berliner Deutschen Kinemathek gezeigt wird. Viele der Exponate werden erstmals öffentlich ausgestellt. Es sind Kleinodien der Filmgeschichte, Devotionalien für Fans von damals und heute und sie geben der Präsentation zwischen laufenden Bildern und wilden Tönen die Atmosphäre, die den Besucher hinter die Kulissen und vor die Leinwände und anschließend in einem grandiosen Ausstellungs-Katalog nach Hause begleitet.
Damals setzte das neue (noch nicht ganz Massen-)Medium Film in Deutschland eine Entwicklung in Gang, die in der Avantgarde der Weimarer Republik startete und über die Propaganda des Dritten Reiches selbst im heutigen Turbo-Kapitalismus noch nicht zu Ende gedacht ist. Bilder produzieren die größte Einflussnahme auf gesellschaftliche Vorgänge und das Verhalten seiner Bürger, auch das zeigt die Schau sehr eindrücklich. Waren es anfangs noch halbe Dokumentarfilme über höllische Bergwelten und verblüffende wissenschaftliche Errungenschaften, rückten die schnell in die Wochenschauen und der Film wurde zum Mega-Geschäft. Schon damals gab es Produkt-Placements auf den riesigen Leinwänden, die Studios verkauften Reklamewände im Handlungs-Hintergrund.
Aber in Bonn werden nicht nur Filme gezeigt. Zeichnungen von Heinrich Zille oder Käthe Kollwitz oder auch Collagen von Hannah Höch und Hermann Bayer zeigen, wie groß das Interesse der Kunst am Film war. Mein Highlight sind allerdings drei kleine Plakatentwürfe von Albin Grau zu Murnaus „Nosferatu“ (sw, 1922). Alles ist eingebettet in eine gigantische Set-Struktur aus Bühnenbild, Kulissenbau und dem notwendigen technischen Gerät, in der Mitte der Ausstellung spinnt eine Halle aus Bildern den Alltag in den 1920er Jahren nach und schnell wird klar, nicht alle konnten sich einen Abend in den Kinopaläste leisten, aber dem aufkeimenden Starrummel tat das keinen Abbruch.
Kino der Moderne | bis 24.3. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Gesellschaftlicher Seismograph
8. Internationales Bonner Tanzsolofestival – Tanz in NRW 03/23
Die Mutter aller Musen
Aby Warburg in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 06/21
Die Schönheit bleibt nackt
Max Klinger in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 11/20
„Gerade jetzt sind Kunst und Kultur von hoher Bedeutung“
Patrick Schmeing, Geschäftsführer der Bundeskunsthalle, über digitale Bilderwelten – Interview 05/20
Freude schöner Götterfunken
Beethoven in der Bundeskunsthalle – Kunstwandel 02/20
Fulminanter Start ins Jubiläumsjahr
Bonn feiert Beethoven – Bühne 12/19
Im Schleudersitz auf der Holzeisenbahn
Martin Kippenberger Retro in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 12/19
Die Leinwandhelden von Weimar
„Kino der Moderne“ in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunstwandel 02/19
„Der politische Kampf spiegelt sich auch im Kino“
Kristina Jaspers über „Kino der Moderne“ in der Bundeskunsthalle – Interview 01/19
Land der Geheimnisse
Die Nasca-Kultur in der Bonner Bundeskunsthalle – Kunst 05/18
Zwischen Fleisch und Reinigungsmitteln
„The Cleaner“ – Marina-Abramović-Retrospektive in Bonn – Kunstwandel 05/18
Reise durch ein ganzes Leben
Pressekonferenz von Marina Abramovićs „The Cleaner“ in Bonn – Kunst 04/18
„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25
Mehr als Bilder an der Wand
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/24
Vorgarten der Unendlichkeit
Drei Ausstellungen zwischen Mensch und All – Galerie 12/24
Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24