Eintrag im Notizbuch (1792-94) eines großen Komponisten: „Trinkgeld weil der Kutscher wegen angedrohter Prügel wie der Teufel durch die hessischen Truppen raste.“ Wer könnte das im Bonner Beethoven-Jahr wohl gewesen sein? Blöde Frage, aber uncool war der Tausendsassa der Musikkultur bei weitem nicht, wenn er auch auf dem Bild, das alle von ihm haben, streng und unnahbar schaut. Aber Ludwig van war kein Kostverächter, er wusste um seine Qualitäten und um seine Ausstrahlung und diese zu nützen. Zum 250. Geburtstag des großen Komponisten und Visionärs Ludwig van Beethoven (1770–1827) präsentiert die Bundeskunsthalle in Kooperation mit dem Beethoven-Haus Bonn die zentrale Ausstellung zum Jubiläumsjahr 2020 – ziemlich interaktiv mit Kopfhörer-Liege und Lebendmaske streicheln. Die raummächtige Ausstellung gliedert thematisch die wichtigsten Lebensstationen Beethovens, angereichert mit seinem musikalischen Werk. Der interessierte Besucher muss Zeit investieren, will er alle Verästelungen in Bild, Ton und Devotionalien nachspüren.
Ich empfehle schon mal den umfangreichen, sehr schön gemachten Katalog (ohne CD), wenn man wie Beethovens Kutscher durch die Bonner Ausstellung hetzen muss und nicht einmal die Kurfürstensonaten f-Moll WoO 47 1-3 hören kann, die der Maestro mal eben mit elf und zwölf Jahren komponiert hat. Ja damals gab es noch keine App dafür, da musste der Junge selbst ran. Später dann, und das kann man gleich nach dem Eintritt sehen, reichte es dann schon zum Ball für einen dreiteiligen Herrenanzug im englischen Stil.
Viele Bilder – Öl-Portraits von Haydn oder Salieri, das riesige Reiterbild von Kaiser Napoleon I auf winzigem Pferd – aber auch Musikinstrumente der Zeit (Hammerklaviere) und Beethovens Umgang mit dem schnöden Mammon, als er es sich leisten konnte, sind zu bewundern, Zitat: „Man verhandelt nicht mehr mit mir, ich fordere und man zahlt.“ Kein Wunder, dass die Damen der Zeit reihenweise auf ihn flogen, auch er war „ein Mann der Frauen und Frauen liebten seinen Punk“. Insbesondere sein Brief an die Unsterbliche Geliebte (deren Identität nie geklärt wurde), im Sommer 1812 in Böhmen verfasst, belegt seinen Enthusiasmus und ist neben dem Heiligenstädter Testament (auch zu sehen) die wichtigste Selbsterklärung des Künstlers. Am Ende steht die Nekrologie.
Beethoven – Welt.Bürger.Musik | bis 26.4. | Bundeskunsthalle Bonn | 0228 917 12 00
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