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Volker Lippmann inszeniert eine sommerliche Dreigroschenoper
Foto: Julia Karl

Die Sonne scheint nur

30. Mai 2018

Sommertheater in Köln – Prolog 06/18

Im Urlaub sitzt das Geld bekanntlich lockerer als zu normalen Zeiten. Man gönnt sich was. Auch das Mitleid läuft dann an der langen Leine. Gute Zeiten also für einen Unternehmer wie Jonathan Peachum, der in Soho als Kostümverleiher und Locationscout für Bettler die große Nummer ist. Die Almosenindustrie läuft prächtig, wäre da nicht dieser völlig altmodische Mackie Messer. Der Mann stapft als einziges Klischee über die Bühne: Wohnt quasi im Puff, stiehlt und mordet. Spielte Brechts „Dreigroschenoper“ in Mafiakreisen, würde man von old school sprechen, während Peachum längst Managementmethoden im Verbrechen eingeführt hat. Doch seine undankbare Tochter Polly steht auf die alte Haudraufnummer und verliebt sich in den verhurten „Haifisch“ mit den Zähnen. Also muss Peachum Maßnahmen für eine standesgemäße Hochzeit seiner Tochter ergreifen…Das Theater Tiefrot lädt mit Brechts Klassiker zur Sommerbespielung im den Garten des Hotel Hopper. Wer dort schon mal verbeigeschaut hat, weiß, dass an lauen Sommerabenden Brechts Klassiker, inszeniert von Volker Lippmann, noch mal so unterhaltend ist.

Das Theater im Bauturm spricht gleich eine Reisewarnung aus. Urlaub wird sowieso überschätzt, vor allem dann, wenn die Brückentage derart inflationär werden, dass die Arbeitstage in Bedrängnis geraten. „Sommerloch. Eine Reisewarnung“ heißt das Programm, das Laurenz Leky, Bernd Schlenkrich und René Michaelsen im Frühling eigentlich mit Codula Stratmann zusammenstrickt haben. Es lief im Rahmen der lit.Cologne an einem Abend in der Flora und war selbstverständlich ausverkauft. Doppelt ausverkauft. Für alle, die keinen Karten bekommen haben, spielt das Trio nun seine eigene Version von den Couchpotatos, die mit Texten von Max Goldt, Kurt Tucholsky und Gottfried Benn um sich werfen und das Hohe Lied der Daheimgebliebenen singen.

Auch der intellektuelle Sprecher in Heiner Müllers „Hamletmaschine“ muss erkennen, dass Strandurlaub längst nicht mehr das ist, was es mal war: „Ich war Hamlet. Ich stand an der Küste und redete mit der Brandung BLABLA, im Rücken die Ruinen von Europa.“ Erholung sieht anders aus. Trümmer, wohin man blickt: Intellektuell, geschichtlich und dramatisch. Und wenn die Geschichte nicht mehr zum Drama taugt, dann wird daraus ein fragmentiertes Prosagedicht, in dem der Autor in verschiedene Rollen aus Shakespeare-Bruchstücken schlüpft. Der Autor und Denker steht vor der Abdankung und schlachtet seine (sozialistischen) Heroen mit dem Beil ab. Konstanz beweisen dagegen die Panzer, die militärische Maschinerie und die Verpanzerung des Ichs, die die Jahrhunderte unbeschadet überstehen. Am Ende triumphiert die allerdings die verstummte und hasserfüllte Ophelia. Die Schauspieler Tommaso Tessitori und Lara Pietjou holen sich die Skulpturen von Christian Keinstar in die Orangerie und überlassen die nette Sommerunterhaltung Bertolt Brecht. Die Sonne scheint nur, sagte bekanntlich schon Samuel Beckett.

„Die Dreigroschenoper“ | 8., 12.-14., 18.-20., 21., 25., 27., 28.7. | Theater Tiefrot/Hotel Hopper | 0221 460 09 11

„Sommerloch. Eine Reisewarnung“ | 14., 18.-22.7. | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42

„Die Hamletmaschine“ | 19.-22.7. | Orangerie | 0221 952 27 08

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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