DIE KURATORIN
Die Kunsthistorikerin Dr. Julia Friedrich ist Leiterin der Graphischen Sammlung am Museum Ludwig. Im Prestel-Verlag hat sie kürzlich das Buch „Otto Freundlich: Kosmischer Kommunismus“ herausgegeben.Otto Freundlichs Bild „Die Geburt des Menschen“ zieht im Museum Ludwig schon von weitem alle Blicke auf sich, in der theatralischen, ja, pathetischen Wirkung unterstützt durch seine Monumentalität. „Die Geburt des Menschen“ (1919) zeigt eine männliche Figur, deren Körper sich aus muskulösen Partien zusammensetzt. Umfangen von chromatischen Bändern inmitten eines Querovals und dadurch gebeugt, befindet sich das Haupt zwischen langgestreckten Strahlen, die von außen in den Kern dringen. Zum Eindrucksvollen, Intensiven trägt die künstlerische Technik bei. Es handelt es sich um ein Mosaik. Verbunden mit einer immensen Leuchtkraft, vermitteln die monochromen Steinchen das Flirrende als größte Klarheit und farbliche Differenzierung. Assoziativ stellen sich Vorstellungen vom Keimling und von natürlichem Wachstum ein. Otto Freundlich (1878-1943) spielt auf die Zukunft der Gesellschaft an, vorgetragen in einer Disziplin der mittelalterlichen Zünfte, hier nun als sozialistische Volkskunst.
In diesen Jahren wechselt Freundlich in seinem Werk vom figürlichen Realismus zur Abstraktion. Auch jetzt glaubt er, der überzeugte Kommunist, an die politische Wirkung der Kunst, auch das mag ein Grund für seine angewandten Beiträge sein, zu denen auch Glasfenster und Teppiche gehören. So weitgefächert also seine Anliegen und künstlerischen Medien sind, so sehr bleibt Otto Freundlich doch seiner reduzierten, mithin geometrisch organisierten Formsprache treu. Das ist eine Erkenntnis der Ausstellung im Museum Ludwig. Und es genügen vier Bronzeskulpturen aus den Jahren vor und nach 1930, um den Zusammenhang zu den Malereien zu verdeutlichen. Die unruhigen Oberflächen der großen schwarzen Bronzen wirken wie gemalt. Einzelne, teils konstruktive Volumina sind verschoben aufeinander platziert. Klar, ein Bezug ist die menschliche Figur. Vor allem aber demonstriert Otto Freundlich eines: Raum, vorgetragen schon in der massigen Präsenz und in den Durchblicken. Diese Plastiken sind Ikonen der avantgardistischen abstrakten Plastik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
DIE KURATORIN
Die Kunsthistorikerin Dr. Julia Friedrich ist Leiterin der Graphischen Sammlung am Museum Ludwig. Im Prestel-Verlag hat sie kürzlich das Buch „Otto Freundlich: Kosmischer Kommunismus“ herausgegeben.Die Bilder nun bestehen aus monochromen Binnenflächen, die sich teils zu Bändern zusammenschließen. Anfänglich noch in die Bildtiefe hinein gestuft, sind sie ineinander verschlungen. Ende der 1920er Jahre wird das Bildgeschehen flächiger. Die Felder liegen jetzt auf einer Ebene. Der Clou aber ist die pastose Malerei selbst: Im malerischen Aufeinanderstoßen der Flächen wirkt sie sinnlich delikat. Und sie ist, erst recht mit den gelben Feldern, licht, von Helligkeit durchflutet und erinnert eben an Glasfenster.
Otto Freundlich wurde 1878 in Stolp in Pommern geboren. Bereits Anfang des 20. Jahrhundert lernt er den Schriftsteller und Kunstpromotor Herwarth Walden und die Maler Wassily Kandinsky und Paul Klee kennen. Er wechselt in den folgenden zwei Jahrzehnten zwischen Berlin, München, Florenz und Paris. In Paris etabliert er sich in der internationalen Avantgarde und wird Mitglied der Gruppe „Abstraction – Création“. Wichtig wird für ihn 1914 sein mehrmonatiger Atelieraufenthalt im Nordturm der Kathedrale von Chartres. Dabei versteht sich Otto Freundlich immer als „revolutionärer Künstler“, wie er 1933 in einem seiner Texte schreibt, „an der Seite des revolutionären Proletariats“. Und in seinem Essay „Die Wege der abstrakten Kunst“ (1934) interpretiert er die Farbflächen als Ausdruck für die „offene Gemeinschaft“. Seine Kunst steht für Fortschritt, Weltoffenheit und Gleichheit als Vision einer besseren Gesellschaft. Mit seinem abstrakt stilisierten künstlerischen Ansatz entsprach er überhaupt nicht den Vorstellungen der Nationalsozialisten. Seine Kunst wurde von diesen als „entartet“ zerstört. Seit 1924 in Paris ansässig, wurde Otto Freundlich nach Kriegsbeginn 1939 als deutscher Staatsbürger verhaftet und war danach in Frankreich auf der Flucht. 1943 wurde er auf der Deportation nach Polen oder dort im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Was von seinen Werken geblieben ist, ist Kunstgeschichte – und zum Glück in Ausstellungen zu sehen.
„Otto Freundlich – Kosmischer Kommunismus“ | bis 14.5. | Museum Ludwig | 0221 22 12 61 65
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