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Das Gürzenich-Orchester im Festsaal der Flora
Foto: Michael Cramer

Italienische Matinee

07. November 2018

Florakonzert 1 des Gürzenich-Orchesters – Konzert 11/18

Es passte gut zusammen: die Sonne bei fast frühlingshaften Außentemperaturen am 4. November 2018 und das „Souvenir-Konzert“ des Gürzenich-Kammerorchesters; „Von Italien träumen“ war angesagt, vielleicht als Erinnerung oder Vorgriff auf eine Reise ins Land, wo nach Goethe „die Zitronen blühen“. Stimmt ja auch. Das Orchester unter dem ersten Konzertmeister des Gürzenich-Orchesters Torsten Janicke hat einen festen Kern von etwa 15 Streichern und lädt bedarfsweise Kollegen dazu ein, vornehmlich Bläser. Es praktiziert Selbstbestimmung und stellt seine Programme eigenständig zusammen, unterstützt von Patrick Hahn, dem künstlerischen Programmplaner des Gürzenich-Orchesters. Italien, Ort der Sehnsucht vor allem für Menschen aus kühleren Regionen, hat Komponisten, Maler und Schriftsteller schon immer zu außerordentlichen Leistungen angespornt – so auch zu den Werken der Matinee in der Kölner Flora. In dieser prächtigen Gartenanlage erstrahlt der Wintergartenpalast seit Kurzem im früheren historischen Ambiente aus der Gründerzeit. Ein idealer Ort auch für Konzerte unter großen Kronleuchtern.

Was haben Hugo Wolf, Robert Schumann, Igor Strawinsky und Peter Tschaikowsky mit Italien zu tun? Sehr viel, wie im Konzert zweifelsfrei zu hören war. Von Wolf gibt es eine kleine „Italienische Serenade“ als entzückendes Quartett und vom Komponisten später für Streichorchester erweitert; wenn das Stück auch nicht aus Reise-, sondern aus Kindheitserinnerungen entspringt, spielte man damals im Familienorchester gerne aus italienischen Opern. Der frische und helle Klang des Orchesters und die präzise Formation, luftig und fein ziseliert, dürfte auch dem letzten Zuhörer im sehr gut gefüllten Saal der Flora die letzten Schlafreste aus den Augen vertrieben haben. Dazu passte wunderbar der leichtfüßige und delikate Cello-Solopart von Joachim Griesheimer.

Das Kammerorchester spielt immer ohne Dirigent und so aufmerksam, dass Torsten Janicke mit kleinesten Bewegungen seine Leute im Griff hatte – ganz ohne exzessive gymnastische Übungen, wie sie oft zu erleben sind. Diese Harmonie war auch in den Pedalfugen Nr. 1 und 5 von Robert Schumann zu erleben als Transkription für neun Streicher von Xaver Paul Thoma ursprünglich im Auftrag der Staatsoper Stuttgart. Diese Stücke waren gedacht für einen neuartigen „Pedalflügel“, der das Spektrum des Flügels durch zusätzliche Töne erweitert, zu bedienen wie bei der Orgel; die ganze Aktion verlief in Ermangelung eines Pedalflügels jedoch im Sande. Thoma nun baute das Stück um durch ganz unterschiedliche Spieltechniken, da wird gezupft und gestrichen, sogar mit dem Holz des Bogens und direkt am Steg. Durchaus mal sehr interessant zu hören, was man alles mit der Geige anstellen kann.


Bonian Tian und Torsten Janicke am Sonntag
Foto: Michael Cramer

Solist der Matinee war der überragende Bonian Tian, seit 2010 Solocellist im Gürzenich-Orchester. Der Chinese, international unterwegs und vielfältig dekoriert, ist Professor in Frankfurt und Peking und ein Glücksfall für Köln. Man konnte ihn oftmals mit seinem Orchester solistisch erleben, seinen schmelzenden, zu Tränen rührenden Ton, seine mühelos erscheinende Technik, seine überaus hohe Musikalität, mal zärtlich, dann hochvital und erneut wieder romantisch. Und seine lockere Art mit den Kollegen über die Mimik zu kommunizieren.

Strawinskys „Suite Italienne“ mit zahlreichen Tanz-Elementen ist vielfach transkribiert worden, zuletzt von Benjamin Wallfisch für Cello und Streichorchester, eine spritzige und quirlige Musik und beinahe ein Doppelkonzert für Violine und Cello. Nach der rauschenden Schlusscoda des vorletzten Satzes musste der Solist erst mal tief durchatmen – und sein Publikum ebenso. Charmant kündigte Tian dann die für den überreichen Applaus verdiente Zugabe an, die „Larmes (Tränen) de Jacqueline“, ein Schmachtstück vom großen Kölner Jaques Offenbach; Musik zum tiefen Versenken, durchaus auch mit ein paar eigenen Tränchen. Es wäre nur Schmalz, wenn es nicht so stringent und musikalisch perfekt gespielt worden wäre.

Tschaikowsky, der Komponist von „Souvenir de Florence“, hatte häufig in Italien gelebt. Daraus entsprangen das „Capriccio Italien“ und später aus Florenz sein Streich-Sextett, an diesem Vormittag eine Bearbeitung von Matthias Kaufmann für kleines Streichorchester. Voll toskanischer Sonne, sinnlicher Stimmung und positiv im Leben – eine Spiegelung seines Gemütes und seiner Stimmung. Auch hier blühte das Kammerorchester auf, zum Schmachten, zum verzückten Hören, zum Staunen. Ein toller Vormittag mit diesem dritten Konzert in der Reihe der Kammerkonzerte des Gürzenich-Orchesters.

Das nächste Florakonzert findet am 4. März statt.

Michael Cramer

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