Den Mächtigen auf die Finger zu schauen, wenn sie gegen die Interessen der Mehrheit handeln, und den eigenen moralischen Zeigefinger zu heben – das ist schon immer die Aufgabe der freien Presse gewesen. In Köln, einer Stadt mit einer mehrere Jahrhunderte alten Zeitungstradition, hat sich die Bürgerschaft daran gewöhnt. Dennoch: auch in der Domstadt sind die Auflagenverluste der großen Blätter nicht unter den Tisch zu kehren. Stammleserinnen und -leser wandern seit Jahren ab ins Internet, neue kommen nicht wirklich hinzu. Der zunehmende redaktionelle Einheitsbrei unterstützt diesen gefährlichen Trend: Ohne gut ausgebildete Journalistinnen und Journalisten, die Zeit für aufwändige Recherchen aufwenden können, ohne Leserinnen und Leser, ohne einen Aufschrei aus der Stadtgesellschaft können die Mächtigen künftig tun und lassen was sie wollen. Korruption, Miss- und Vetternwirtschaft werden Tür und Tor geöffnet – wenn nicht etwas passiert.
Dass DuMont wie so viele behäbige und ebenso überhebliche Medienhäuser die Digitalisierung verpennt hat, rächt sich jetzt mit voller Härte. Im klassischen Tageszeitungsgeschäft Geld zu verdienen wird immer schwieriger, die Margen zunehmend geringer. Investiert wurde in den vergangenen Jahren nicht etwa in eine Vorreiterstellung im digitalen Zeitungssegment, sondern in andere Bereiche, die nichts mit dem Kerngeschäft zu tun haben. Nachgefragt bei Prof. Dr. Frank Überall, wie es nun weitergehen kann mit dem Kölner Stadt-Anzeiger, bringt dieser einen sehr charmanten Vorschlag ins Spiel. Der Politologe, Journalist und Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands setzt auf eine Genossenschaft von Kölner Bürgerinnen und Bürgern, die den Zeitungstitel übernehmen könnte. Ein solches Modell, in Köln durchaus möglich, wäre ein Novum in der deutschen Zeitungslandschaft. Annähernd vergleichbar wäre einzig Die Tageszeitung, kurz taz, die auf ein genossenschaftliches Eigentümermodell setzt. Doch die taz ist bundesweit, nicht lokal ausgerichtet.
Es würde Köln gutstehen, sich über ein derartiges Modell Gedanken zu machen. Die Chance, sie ist wahrhaft historisch, und wird sich so wahrscheinlich nicht noch einmal auftun. Der Vorzug einer Zeitungsgenossenschaft, er liegt auf der Hand: kein Verleger, kein aus der Art geschlagener Nachfahre, kein gewinnversessener Investor oder interessengeleiteter Akteur an der Verlagsspitze könnte sich einmischen in die freie Bürgerpresse. Klar, der finanzielle Aufwand für ein derartiges Projekt ist enorm: mehrere zig Millionen Euro würden dafür draufgehen. Doch wie schon bei vielen anderen Genossenschaften wiegt ein weiterer Vorteil schwer, jener, der sich aus Artikel 14 des Grundgesetzes ableitet: „Eigentum verpflichtet.“ Welcher Eigentümer, welcher Kölner mit Genossenschaftsanteil, würde schon freiwillig sein Zeitungsabonnement kündigen? Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass er bei der Generalversammlung aufsteht und wettert, wie ihm die rheinische Schnauze gewachsen ist, wenn die Qualität oder Richtung des Stadt-Anzeigers nicht mehr stimmen würde. Es wäre ein interessantes, ein womöglich nicht einmalig bleibendes Experiment, das Nachahmer in der ganzen Republik finden könnte. Dass sich auf dem deutschen Zeitungsmarkt etwas ändern muss, ist klar. Die Kölnerinnen und Kölner können den Grundstein dafür legen, dem Wohle der gesamtdeutschen Allgemeinheit dienlich sein.
Rückblick: Nachgehakt – Metropolregion Rheinland
Ein Brief des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Thomas Geisel (SPD) an seinen Leverkusener Amtskollegen Uwe Richrath (SPD) soll am Verfahren zur Berufung der Grünen-Politikerin Kirsten Jahn in die Geschäftsführung der Metropolregion Rheinland (MRR) neue Zweifel wecken. Dies geht aus aktuellen Medienberichten hervor. Im Brief soll Geisel, der zugleich Vorsitzender des Vorstands der MRR ist, erklären, dass die Kölner OB Henriette Reker (parteilos) sich in der Sitzung des geschäftsführenden Vorstands am 21. Januar „sehr dezidiert für die Bewerberin Jahn ausgesprochen habe“. Ob diese Schilderung der Wahrheit entspricht, war seitens der Stadtkanzlei bislang nicht zu klären. Die Diskussion um das Geschacher um die mit rund 120.000 Euro Jahresgehalt dotierte Spitzenfunktion geht damit dennoch in die nächste Runde.
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