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Prof. Dr. Frank Überall
Foto: Hans Dieter Erlenbach

„Die Kontrolle der Mächtigen verschwindet“

09. April 2019

Für Frank Überall sind die Verkaufspläne von DuMont demokratiegefährdend – Nachgefragt 04/19

Der DuMont Verlag möchte keine Zeitungen mehr produzieren. Politologe und Journalist Prof. Dr. Frank Überall sieht darin eine Gefahr für die Demokratie.

Es ist das Ende einer Dynastie, einer, die Geschichte aufschrieb: Die Mediengruppe DuMont will künftig keine Zeitungen mehr herausgeben, heißt es in der Branchenzeitschrift Horizont. Keine vier Jahre nach dem Tod von Alfred Neven DuMont stünde der Traditionsverlag damit vor der Zerschlagung. Bricht er mit seinen Wurzeln, beträfe dies nicht nur den Kölner Stadt-Anzeiger und den Express; die Berliner Zeitung und der Berliner Kurier, die Hamburger Morgenpost und die Mitteldeutsche Zeitung wären ebenso betroffen. Der Verlag räumt ein, dass „die mögliche Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe“ Teil von Handlungsoptionen sein kann. Prof. Dr. Frank Überall äußert im Interview seinen Unmut über die Vorgänge bei DuMont. Sein Credo: „Das ist demokratiegefährdend.“

choices: Herr Überall, DuMont will sich als erster deutscher Traditionsverlag von seinem Kerngeschäft, dem Zeitungmachen, trennen. Was bedeutet diese Entwicklung?
Frank Überall: Alfred Neven DuMont war durchaus sperrig und schwierig, aber er war im Herzen Verleger. Die neue Generation scheint damit nicht mehr viel zu tun haben zu wollen. Sie bewertet das Ganze nur noch als Zahlenfrage. Mördergewinne kann man mit dem Zeitungmachen nicht mehr machen, doch es wird immer noch Geld verdient. In der Vergangenheit hat es viele Fehlentscheidungen bei DuMont gegeben, so fehlt bis heute eine Zukunftsstrategie. In erster Linie ist die Entwicklung unglaublich frustrierend für die Belegschaft, die jeden Tag ein gutes Blatt macht. Der Zeitungsmarkt in Köln ist ohnehin sehr angekratzt. Wir haben mit dem Stadt-Anzeiger und der Rundschau ein Einheitsgebilde. Mit dem Express haben wir immerhin noch einen Gegenpol zur Bild im Rheinland, was Wettbewerb bedeutet. Ich mache mir allerdings Sorgen, ob dieses bisschen redaktionelle Vielfalt erhalten bleibt. Denn alle Studien weisen darauf hin, dass da, wo die Lokalzeitung verschwindet oder extrem eingeschränkt wird, die Kontrolle der Mächtigen nicht mehr stattfindet. Gerade in Köln, wo wir mit dem Klüngel ja unsere Erfahrungen haben, wissen wir, wie wichtig die öffentliche Kontrolle von Mächtigen ist. Und die gerät gerade ins Wanken.

Prof. Dr. Frank Überall
Foto: Hans Dieter Erlenbach
Zur Person:
Journalist und Politologe Prof. Dr. Frank Überall lehrt an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft und ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er hat diverse Sachbücher und Essays mit politischem Schwerpunkt verfasst.

Würden Sie sagen, die aktuellen Entwicklungen in der Medienbranche bergen eine Gefahr für unsere Demokratie?
Konzentration bedeutet immer einen Verlust von Vielfalt. Und ein Verlust von Vielfalt bedeutet zugleich einen Verlust unterschiedlicher Sichtweisen auf die Dinge, eben sich im Wettbewerb entwickelnde Rechercheansätze in der Berichterstattung. Das kann nicht gut sein für unsere Demokratie.

Immer weniger Menschen sind noch bereit dazu, eine Zeitung zu abonnieren. Ist es da nicht leicht aufzuschreien, wenn man für die Misere mitverantwortlich ist?
Verlage wie DuMont haben essenzielle Fehler gemacht. Sie haben über Jahre Inhalte im Netz verschenkt. Die Leute nun wieder daran zu gewöhnen, dass redaktionelle Leistung kostet, ist nicht einfach. Wir müssen aber das Verständnis schaffen, dass professioneller Journalismus eine Ware ist, die einen Wert hat – einen monetären Wert. Das Problem geht gleichwohl von den Inhalten aus: an Personal zu sparen und der Qualität zu schleifen ist kontraproduktiv. Ich erwarte von einer Zeitung nicht den Agenturfriedhof der Nachrichten von gestern. Die gibt es kostenfrei im Netz. Ich erwarte Einordnung, Hintergrund, Analysen und Haltung. Das alles ist zeitintensiv und kostet. Wenn ich hier weniger Leute einsetze, kann ich weniger machen von dem, was mich vom Internet abhebt. Dennoch: Ich bin davon überzeugt, dass es für die nächsten Jahre einen Bedarf an Tageszeitungen geben wird und wenn man sie richtig macht, wird es ihn dauerhaft geben. Natürlich kann man darüber nachdenken, ob die täglich erscheinende Zeitung nicht einem gut gemachten Hintergrundblatt zweimal pro Woche weichen kann. Doch das ist nur eine von vielen Varianten.

Was soll aus dem Kölner Stadt-Anzeiger werden? Ein Käufer ist ja bislang wohl nicht in Sicht.
Natürlich besteht die Chance, dass sich ein ernstzunehmender Verlag, ein Verleger, des Stadt-Anzeigers annimmt. Das wäre sehr erfreulich. Doch ganz ehrlich: mittlerweile bin ich soweit, dass ich mir wünsche – obgleich es unrealistisch ist –, dass sich eine Genossenschaft aus der Kölner Bürgerschaft bildet und den Stadtanzeiger übernimmt. Aber das würde wahrscheinlich so teuer werden, dass es unbezahlbar ist. Denn der Stadt-Anzeiger schreibt schließlich noch schwarze Zahlen – ein Grund mehr, warum DuMonts Pläne so unverständlich sind.

Interview: Pascal Hesse

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