Die tiefe Melodie einer Posaune und das konstante rhythmische Trommeln eines Schlagwerks schaffen eine spannungsgeladene Grundatmosphäre auf der karg gestalteten Bühne der Alten Feuerwache. Graue Gestalten bewegen sich koordiniert über die Bühne, zunächst in ihren eigenen Ablauf vertieft, bis sie sich schließlich dem Publikum zuwenden. Als choreographierte Einheit bewegt sich der 13-köpfige Bürger:innenchor der VolXbühne meist gleichzeitig und spricht gemeinschaftlich. Seine Performance spielt mit Elementen des Theaters: Er imitiert und dramatisiert, zieht die Aufmerksamkeit des Publikums, bringt zum Lachen. Es ist eine Repräsentation der Gesellschaft, in der Masken und Lügen zum Alltag gehören. Bald löst sich jedoch ein Mann (Valentin Stroh) aus ihrer Mitte. Er gibt sich als Schauspieler zu erkennen, mehrmals wiederholt er „nicht der Chor“ zu sein. Es ist wohl kein Zufall, dass es so klingt, als sei er auch nicht „d’accord“ mit ihm. Als Schauspieler sei es seine Aufgabe, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Gerade weil seine Berufsgruppe per Definition mit Künstlichkeit spielt, sei er kein Betrüger. Schließlich sei dem Publikum immer bewusst, dass er eine Rolle verkörpert.
Ist es vielleicht gerade das Theatralische, das die Bühne so ehrlich macht? Oder ist der Schauspieler nur ein Heuchler – ein „Hypokrites“, der nie weiß wovon er wirklich spricht? Das Ensemble A.tonal.theater fragt, ob Schein und Sein auf der Theaterbühne jemals zusammengeführt werden können. Dabei schwingt auch mit, dass sich die Gruppe selbst aus einer Mischung an Laien und professionellen Schauspieler:innen zusammensetzt. Ist Authentizität im Theater doch eher durch Bürger:innenrepräsentation zu schaffen? Endgültige Antworten werden hier nicht gefunden – vielmehr geben sich die Parteien einem Dialog über Lügen und Wahrheit hin, der in teils langatmige Monologe Strohs ausartet. Letztlich finden Chor und Schauspieler, versammelt um feuerrot leuchtende Neonstangen, die zu einem Lagerfeuer arrangiert werden, ein ambivalentes Ende. Durchaus sehenswert.
Hypocrites | 9., 10., 11., 12.02.23 | Alte Feuerwache | 0221 985 45 30
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