Der Name KHD oder Klöckner-Humboldt-Deutz AG gehört wie Ford zu den großen imagebildenden Industrieunternehmen in Köln. Der 1864 gegründete Motorenhersteller hat mehr als 140 Jahre die Stadtteile Deutz und Mülheim geprägt, wo neben Motoren auch LKWs, Lokomotiven, Omnibusse oder Landmaschinen gebaut wurden. 2007 verließ KHD seinen Stammsitz und siedelte nach Köln-Eil über. Seitdem stehen Verwaltungsgebäude und Produktionsstätten an der Deutz-Mülheimer Straße leer. Seit März 2011 haben sich Anja Kolacek und Marc Leßle mit ihrem Label raum13 in dem gewaltigen Komplex eingemietet und richten Räume sowie Spielstätten für die freie Szene her.
choices: Frau Kolacek, Herr Leßle, was bedeutet der Name „Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste“?
Anja Kolacek: Wir wollen darauf hinweisen, dass hier Motoren gebaut wurden, außerdem wollten wir im Namen den Bezug zum Stadtviertel drin haben. Die Gruppe raum 13 arbeitet seit Jahren spartenübergreifend. Unser Traum ist, dass sich verschiedene Künste treffen und miteinander kommunizieren, deshalb wurde daraus dann Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste.
Es gibt die Forderung der früheren „Impulse“-Macher Matthias von Hartz und Tom Stromberg, weniger in feste Häuser als in künstlerische Gruppen zu investieren. Braucht Köln eine weitere Spielstätte?
Marc Leßle: Köln braucht mit Sicherheit nicht noch ein kleines Nischentheater. Wir werden hier auch keine Spielstätte, sondern ein Produktionszentrum bereitstellen.
Kolacek: Es gibt viele junge Künstler in der Stadt, die Räume brauchen, um ihre Projekte realisieren zu können. Wir wollen zum Beispiel einem Künstler für sechs Wochen Räume zur Verfügung stellen, damit er seine Videoinstallation hier aufbauen und ausstellen kann. Danach kommt der nächste Künstler. Man kann hier vor Ort produzieren, aber es wird keinen Theaterbetrieb geben, der jeden Tag ein anderes Programm anbietet.
Leßle: Wir haben das ganze Gebäude zur Zwischennutzung für Kunst und Kultur gemietet. Das Gebiet vom Mülheimer Hafen bis zur Zoobrücke soll im Rahmen der Regionale 2020 umgewandelt werden. Bis die Bauarbeiten beginnen, werden noch mindestens drei oder vier Jahre vergehen. Es kann aber auch länger dauern, sagt unser Vermieter.
Was für Räume sind das und in welchem Zustand sind sie?
Kolacek: Vom zentralen 80er Jahre Foyer samt Treppenaufgang mit Marmorausstattung gehen verschiedene Gebäudetrakte ab. Ein Teil stammt noch von 1876. Dann haben wir Bürotrakte aus den 60er Jahren mit Holzvertäfelung und schweren Holztüren, aber auch Büros mit relativ moderner Ausstattung, die noch um das Jahr 2000 umgebaut wurden.
Leßle: Es sind vor allem Büroräume, vom Großraumbüro bis zum kleinen Büro. Wir haben gerade ein Studio in der Größe der Orangerie hergerichtet mit knapp 230 qm, also 23 m mal 9 m bei 4,20 m Deckenhöhe. Das kann man als Probenraum oder als Tanzstudio nutzen.
Kolacek: Dazu gibt es noch eine Bühne im Hof und eine große Halle in einem Seitentrakt, die wir mit Strom, Scheinwerfern, Toiletten instand gesetzt haben. Den Rest muss man sich erobern. Wer selbst etwas instand setzt, mietet natürlich zu anderen Konditionen als jemand, der einen fertigen Raum haben möchte. Es geht hier allerdings nicht darum, das Gebäude umzubauen, sondern dass alles, was an Kabeln, Tonanlagen, Licht investiert wird, auch wieder in zwei LKWs abtransportiert werden kann.
Wie wird das finanziert?
Kolacek: Alles was hier drin ist, gehört entweder uns privat oder ist vom Technikpool der Stadt angemietet. Und das reicht erst einmal aus, um das Foyer, das Studio, den Hof, die Halle, den Treppenaufgang oder die Toiletten zu bespielen. Wir haben verschiedene Förderanträge bei der Stadt, beim LVR, bei der Rheinenergie gestellt, um drei Stellen für Organisation, Technik und Pressearbeit zu schaffen.
Leßle: Derzeit bekommen wir noch keine Förderung, für den Basisbetrieb aber rechnen wir mit einem Bedarf von 120.000 Euro als Minimum.
Was genau soll hier drin stattfinden?
Kolacek: Wir haben einen Schwerpunkt auf die Nachwuchsförderung gelegt. Junge Künstler sollen hier produzieren können. Beispielsweise Tänzer und Choreographen wie Reut Shemesh, Arthur Schopa, der Musiker Nico Stallmann oder der Regisseur Benjamin Schad, der an der Kölner Oper „The Turn of the Screw“ inszeniert hat. Dann werden wir unsere eigenen Arbeiten hier produzieren. Auch der „Alles was tanzt“-Gipfel, über den wir Residenzen an drei junge Choreografen vergeben, soll hier stattfinden. Wir werden unser Format Polilog weiterführen. Einmal im Monat soll unsere „Suppenküche“ stattfinden, bei dem Künstler ihre Projekte vorstellen; in einer „Tischgesellschaft“ wollen wir Vertreter aus Wirtschaft, Recht, Medien und Kunst zusammenbringen und daraus einen Unterstützerkreis entwickeln.
Leßle: Wir haben außerdem Anfragen von Filmfirmen, die hier drehen oder temporär Büros mieten wollen. Mitte Juli wird ein Filmprojekt der Kunstfilmbiennale hier eine Woche lang mit Gymnasiasten arbeiten.
Wieviele Produktionen sollen hier pro Jahr gezeigt werden?
Kolacek: Acht bis zehn Produktionen, die betreut und en bloc gespielt werden und ein Festival, mehr werden wir nicht schaffen und mehr können wir uns auch nicht leisten…
Leßle: … oder eine Ausstellung oder eine Präsentation der KHM (Kunsthochschule für Medien, die Redaktion)…
Kolacek: …und außerdem beteiligen wir uns an der langen Theaternacht, der Nacht der Museen und den Passagen, das ist aber dann eher ein Extra.
„Alles was tanzt-Gipfel 3“ I 17.9. I Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste
0221 423 21 85 I www.raum13.de I www.alleswastanzt.de
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