Das Kölner Theater der Keller muss umziehen. Ein eigentlich alltäglicher Vorgang für Privatpersonen. Institutionen wechseln schon seltener ihr Domizil. Theater dagegen fast nie. Das hat seinen Grund in einer architektonischen und betrieblichen Logistik, die nicht beliebig transferierbar ist wie die Möbel eines Wohnzimmers. Das gilt zumindest für Stadt- und Staatstheater. Freie Theater wie das Theater der Keller dagegen stehen immer schon mit einem Bein auf der Straße.
Das Theater der Keller zählt zu den traditionsreichsten Privatbühnen in Köln. 1955 ins Leben gerufen, zog es 1974 in eine frühere Entbindungsklinik in der Kleingedankstraße. Im Keller und Erdgeschoss sind zwei Bühnen mit jeweils 99 Plätzen untergebracht, die allerdings nicht gleichzeitig bespielt werden können. Das Theater verzeichnet nach eher durchwachsenen Jahren nun unter der Intendanz von Heinz Simon Keller Erfolg. 73 Prozent Platzausnutzung mit vorwiegend zeitgenössischer Dramatik kann sich sehen lassen. Nun möchte der in der Immobilienbranche tätige Hausbesitzer nach Ablauf des 10-jährigen Mietvertrages ab August 2018 Wohnungen in der Kleingedankstraße einbauen. Eine vertraglich einwandfreie, sozial und wirtschaftlich nachvollziehbare Entscheidung angesichts des derzeitigen explodierenden Wohnungsmarktes.
Das Theater, das zudem noch eine private Schauspielschule betreibt, ist wie die meisten freien Theater als Verein organisiert und erhält Zuschüsse von Stadt und Land. Doch diese Mittel reichen nicht, um betriebswirtschaftlich große Sprünge zu machen oder gar zu investieren. Wer sich auf dem Immobilienmarkt eine Spielstätte suchen muss, macht die gleiche Erfahrung wie das Theater der Keller: Die Mieten sind hoch, Verträge laufen irgendwann aus, danach steigt die Miete weiter oder die Nutzung wird geändert. Das Theater war bereits einmal durch eine Mieterhöhung in seiner Existenz bedroht, suchte zweimal eine neue Spielstätte. Vergeblich. Auch den jetzt anstehenden Umzug könne das Theater, so Intendant Heinz Simon Keller, nur mithilfe einer Stiftung stemmen.
Das Ende der Spielstätte in der Kleingedankstraße hat auch etwas Positives: Der Charme der Schuhschachteltheater hat sein Verfallsdatum weit überschritten. Ihre Ästhetik entspricht längst nicht mehr dem Stand des freien Theaters. Außerdem heizt die geringe Platzkapazität den Teufelskreis der Unterfinanzierung nur weiter an. Doch gerade hier ist eigentlich die Verantwortung der Stadt gefragt. Man kann schon nach den Maßstäben fragen, wenn die Sanierung der städtischen Bühnen Köln weit über 400 Mio. Euro kosten wird – und die vermeintlich freien Theater, die genauso am Tropf der Stadt hängen, nicht einmal über gesicherte Spielstätten verfügen. Der kölsche Spruch „Levve und levve losse“ entspringt eben nicht nur der Toleranz, sondern auch dem Sozialdarwinismus der Stadt.
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