Sie waren sich im Winter bei einer Studentenparty begegnet. Blicke, Worte, es muss wie ein Blitz gewesen sein, der beide zugleich traf. Sie verschwanden hinter einer der Zimmertüren, er riss ihr das rote Haarband vom Kopf, sie biss ihn so heftig in die Wange, dass ihm das Blut vom Kinn troff. Eine Narbe blieb. Aber noch viel mehr, zwei Kinder, zwei Werke, die ihren Platz in der Literaturgeschichte des 20. Jahrhunderts fanden. Sie nahm sich später das Leben, er blieb für den Rest seines irdischen Daseins ein Verfemter. Die Liebesgeschichte zwischen Sylvia Plath und Ted Hughes lässt niemanden kalt. Was war wirklich geschehen und was wurde Teil der Literatur? Wer kennt sie nicht, die peinlichste Publikumsfrage nach einer Lesung: „Ist der Text autobiografisch?“ – Wie blöd kann man sein, danach zu fragen und wie interessant wäre es doch, zu erfahren, wer mit wem, wann ins Bett gegangen ist.
Gabriel Garcia Márquez hat auf die Frage einmal mit dem Hinweis geantwortet, dass alles in seinen Büchern erfunden und zugleich jede Zeile autobiografisch sei. So, nun stehen wir da. Márquez ist eines der 15 Kapitel in Markus Gassers Band „Die Launen der Liebe“ gewidmet, in denen „wahre Geschichten von Büchern und Leidenschaften“ versprochen werden. An welchen Stellen verschränkt sich das Leben mit der Dichtung? Das ist eine der Fragen, denen Gasser nachspürt. Das macht er jedoch nicht im Stil eines Literaturwissenschaftlers, der genau die Bruchlinien untersucht. Vielmehr komponiert er eigene Geschichten, in denen die Welt der Autoren mit ihren literarischen Kunstwerken verschmelzen. Die Literatur kommt dabei mitunter etwas zu kurz, da sie letztlich doch einen eigenen Kosmos darstellt, der eigenen Regeln gehorcht und eigene Wirkung erzielt.
Gerne lässt man sich den Spagat zwischen Kunst und Privatleben gefallen, wenn er so elegant erzählt wird, wie im Kapitel über John Updike und dessen Versuche, eigene Eheprobleme über seinen Serienhelden Harry Angstrom zu verarbeiten. Unendliches Glück und bitteres Leiden wollen beschrieben werden, und so müssen die Romangestalten herhalten. Jedes Liebespaar glaubt zunächst, dass es auserkoren sei, das Mysterium der Liebe als erste Menschen zu erfahren. Das Leben da draußen zerrt aber an der Liebe, die Psyche der Liebenden drückt sich durch die Muster des Alltags und dann gibt es Monströses, das sich niemand ausdenken kann. Marguerite Duras erzählt in „Der Schmerz“, wie das Begehren für ihren Ehemann, den Widerstandskämpfer Robert Antelme, erlosch, nachdem sie gesehen hatte in welchem Zustand er aus dem KZ Buchenwald befreit worden war. Bei Malcolm Lowry war es der Alkohol, der seine Beziehungen zerrüttete und dessen Wirkung er doch so genau in seinem Meisterwerk „Unter dem Vulkan“ beschrieben hatte. Von Goethe über Emily Brontë, E. M. Forster oder Nabokov ist das Panorama der Launen und Leidenschaften schön breit ausgelegt. Eine köstliche Lektüre bietet Markus Gasser, die keinen unangemessenen Blick durchs Schlüsselloch wirft, sondern einen realistischen Umgang mit der Leidenschaft pflegt. Feine Ironie ist eingestreut, Romantisierungen verbietet sich Gasser und doch ergreifen sie einen, die Verrückten, die uns so faszinierend von ihren göttlichen Erfahrungen im Gewande der Literatur erzählen.
Markus Gasser: Die Launen der Liebe | Hanser | 320 S. | 22 €
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