In unserem Sprachgebrauch gibt es den neuen Begriff: „Köln“. Neben den Ausrufezeichen wird er auch gerne mit dem Zusatz „... nach ‚Köln‘...“ versehen. Sofort weiß jeder bis in die Staaten des Mittleren Westens der USA hinein, wo zurzeit der Vorwahlkampf um das Präsidentenamt tobt, was gemeint ist. Ein Name ist zum Fanal geworden. Ein seltsames Gefühl befällt einen, wenn man in dieser Stadt lebt. „Köln“, das ist das Synonym für soziale Verrohung innerhalb des öffentlichen Raums geworden. Konkret heißt das, Frauen werden sexuelle attackiert, und zwar von vermeintlichen Flüchtlingen. Wenn man dem medialen Gewitter glaubt, dass da seit knapp zwei Monaten tobt, muss man sich fragen, wie es überhaupt noch möglich ist, in dieser Stadt zu leben. In „Köln“ diesem Inferno der Gesetzlosigkeit, in dem man von der Polizei ein Knöllchen von 15 Euro erhält, wenn man am Fahrrad keine funktionierende Klingel mitführt.
Gegen den Aufschrei, der nach der Silvesternacht weltweit die Medienlandschaft erfasste, kommt einem der Fall der Berliner Mauer wie eine Petitesse vor. Jedenfalls hat die Welt ungeduldiger auf die Ereignisse auf dem Bahnhofsvorplatz in Köln als auf die Öffnung der Zonengrenze gewartet. Denn erstaunlicherweise hatte jeder sofort eine Erklärung für das Geschehene parat, die allerdings stets so gestrickt war, dass man den anderen die Verantwortung zuschob, um ja nicht selbst in den Fokus der Aufmerksamkeit zu geraten. Und das gegenseitige Hauen und Stechen erfasste Polizei, Stadtverwaltung, den Innenminister des Landes NRW und den Innenminister des Bundes, womit die unappetitlichen Geschehnisse auf dem Kabinettstisch Platz genommen hatten. Derweil prügelten die Parteien verbal aufeinander ein, die Rechten meldeten sich gleich zu Wort und die Feministinnen, wussten auch, warum dieses Ereignis vorhersehbar war.
Wäre das gesellschaftliche Aggressionspotenzial nicht schon vorher heftig angeschwollen, hätte es nicht so vehement entweichen können. So hat sich ein Disput über unseren Köpfen entzündet, bei dem es vor allem um Meinung und weit weniger um Fakten geht. Wenn Kölns Rat und Verwaltung der Stadt in der Vergangenheit auch manche Blamage beschert haben, so ist Köln nun im Bewusstsein unserer Epoche zum Schauplatz eines Kulturkampfes ausgerufen worden, der sich nicht mit lästigen Differenzierungen abgibt. Um wen es sich bei den Tätern der Silvesternacht handelt, interessiert kaum jemanden. Dabei kann diese Frage Aufschluss über manches geben, was vor dem Dom geschehen ist. Navid Kermani, Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, der selbst nur zwei Straßenecken entfernt vom Bahnhof lebt, hat vor Jahren in seinen Reportagen aus dem Norden Afrikas das Profil der Täter gezeichnet. Für ihn handelt es sich um Teenager und junge Männer, die schon in ihrer Heimat durch das soziale Netz gefallen sind, auf der Straße leben und ein „vollkommen amoralisches“ Verhalten an den Tag legen. Inzwischen rekrutieren sie das Heer der Straßenkriminalität in Westeuropas Städten zu einem nicht unerheblichen Maße.
Die Beschäftigung mit den Ursachen des perfiden Fleshmobs an Silvester wird aber die ideologischen Schlachten um die Deutungshoheit der Flüchtlingsdebatte nicht berühren. Was bleibt, ist „Köln“, ein Begriff, der in die Geschichtsbücher eingeht. Gegen negative Schlagzeilen hilft nur eins: Aufwachen und positive Schlagzeilen bei Sicherheit und Integration zu produzieren. Die Aufmerksamkeit der Welt da draußen ist der Domstadt jedenfalls sicher.
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