Der Zivilisationsfirnis istdünn im Hause Helmer. Nora (Sophie Basse) erschrickt immer wieder vor dem eigenen Spiegelbild, aber auch vor fremden Personen oder ihren Kindern. Die beiden Halbwüchsigen (Lena Geyer, Jakob Z. Eckstein) streifen mit Axt und Messer durchs traute Heim. Vater Torvald (Sören Wunderlich) wiederum geht in der bedrohlich ins holzvertäfelte Heim hereinschauenden Natur jagen.
All das hat allerdings einen komischen Impact, denn Regisseurin Charlotte Sprenger unterzieht Ibsens Klassiker „Nora oder ein Puppenhaus“ einer ironisierenden Rosskur. Alle Figuren in diesem Haushalt am Rande des (Nerven-)Zusammenbruchs bewegen sich haarscharf auf der Grenze zur Groteske. Nicht nur die nervöse Nora, deren Geld- und Luxusgier nur die Angst überdeckt, dass die gefälschte Unterschrift entdeckt wird, mit der sie Geld für die Kur ihres Mannes erschlichen hat. Man geht sich an die Wäsche, brüllt sich an, kopuliert oder uriniert „öffentlich“, schwadroniert im Dialekt, wird übergriffig oder unterwürfig. Zugleich injiziert die Regie eine kräftige Dosis antike Dramatik mit Anspielungen auf Medea in den Kommentaren der Kinder oder mittels Bachs „Erbarme Dich!“ aus der „Matthäuspassion“. Doch das Pathos im Stück wird nie sämig oder klebrig. Auch weil die Dramatik der Stückklimax, die heute kaum mehr glaubhaft ist, im Höchsttempo absolviert wird. Noras Schuss auf Torvald hat schließlich etwas Vergeblich-Verzweifeltes: Er fällt zwar, redet aber einfach weiter. Da hilft nur der Abgang – begleitet von Wagners „Tristan“-Vorspiel – dem Ehebruchs-Stück par excellence.
Nora oder ein Puppenhaus | Schauspiel Bonn | 10., 16., 20.3. | 0228 77 80 08
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