Kunstgenuss als Wirtschaftsfaktor. Der Künstler als Gesellschaftsform. Die Installation als Selbstdarstellung dieser drei Bedeutungskategorien. Augenscheinlich spielt es auch keine Rolle mehr, ob man als Passant am Kölnischen Kunstverein vorbeihastet, oder die Räumlichkeiten mit ausreichend Zeitpolster betritt. Die Wirkung macht die Optik von Öl auf Papier an Echtholzrahmen. Die Arbeiten aus nicht ganz preiswerten Herstellungsverfahren sind dagegen eher schnöde eingerichtet. Mal stehen sie wie noch nicht aufgehängt an der Wand. Andere hochwertige Drucke hängen (natürlich angebunden) über dem Geländer vor den Toiletten.
„Nichts, nichts“ heißt die Ausstellung von Kerstin Brätsch & DAS INSTITUT. Seit 2007 betreibt sie gemeinsam mit Adele Röder diese merkwürdige Agentur für Import und Export, deren einzige Aufgabe es ist, die eigenen Werke zu bewerben. Gleichzeitig imitieren die beiden Verwertungsmechanismen von Unternehmen und schleusen ihre Werke wie Vorlagen und Muster in eine selbst gewählte Produktionskette ein, deren Produkte dann in messeartigen Installationen feil geboten werden. Auch wenn die in New York lebende Hamburgerin bereits international das Parkett vereinnahmte, der Kölnische Kunstverein zeigt eigentlich die erste Soloshow und das gleich mit einer brandneuen Modekollektion. Digital gestrickte Hosenanzüge und so genannte Parasite Patches, das sind die Motive der Poster, die per Druckknopf an vorhandene Kleidung angebracht werden können, und die den ersten Kontakt nach der Kasse herstellen, wenn man denn über das nötige Zeitpolster verfügt.
Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf eine Aussage des Malers Frenhofer in Balzacs bekannter Erzählung „Das unbekannte Meisterwerk“ aus dem Jahr 1831. Der Maler zeigt sich erschüttert darüber, dass seine Künstlerfreunde ein von ihm geschaffenes Porträt nur als unförmige Masse ansehen. Die Kunst-Marke Kerstin Brätsch hat dieses Zitat aufgenommen und liefert eine künstlerische Umdeutung, indem sie prinzipiell das liefert, was damals Stein des Anstoßes gewesen sein könnte und heute den Kunstmarkt am Leben hält. Und so wandert man vorbei an großformatiger struktureller Malerei auf Leinwand und Transparentfolie, die an vier Stellen auch durch farbige Plexiglasscheiben betrachtet werden kann. Bei „No Neck“, einer Arbeit die mit amerikanischen Pennys beklebt ist, kann man darunter auch schon mal einen abgefallenen finden.
Dann dringt man in schmale Tunnel ein, wo die Diaprojektionen „Viola“ und „Viola Vampire (Ghosts)“ eingebaut sind. Hier projizieren Kerstin Brätsch und Angela Röder Portraitfotos, wobei ihre Gesichter selbst zur Leinwand werden, die mit der Farbe des Hintergrunds bemalt sind und so verfremdete Körperformen zeigen. Der C-Print einer inszenierten Fotografie mit dem beziehungsreichen Titel „BUYBRÄTSCHWÖRST“, auf dem die Künstlerin mit dem angepriesenen Produkt nebst Edelstahl-Totenschädel zu sehen ist, entpuppt sich als irreführendes Ausstellungsplakat. Draußen haben Passanten gerade die Auslage entdeckt.
Nichts, nichts
Kerstin Brätsch und Das Institut
bis 20. März 2011
Kölnischer Kunstverein I 0221 21 70 21
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