Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.583 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Alex Da Corte, THE SUPƎRMAN, Kölnischer Kunstverein 2018
Foto: Simon Vogel

Frühstück mit Eminem

24. April 2018

Alex Da Corte und Walter Price im Kölnischen Kunstverein – Kunst 04/18

Was macht eigentlich Eminem, wenn er morgens am Frühstückstisch sitzt? Mit ausdrucksloser, starrer Miene löffelt er Cornflakes mit Milch – so jedenfalls stellt sich Alex Da Corte (*1980) die Szene vor. Der US-amerikanische Maler, Bildhauer und Filmemacher beschäftigt sich in seiner Filminstillation „The Superman“ im Kölnischen Kunstverein intensiv mit dem weltbekannten Rapper als Privatperson.

Die 2013 und 2017 entstandenen filmischen Werke „True Life“ und „Bad Land“ verschmelzen dabei zu einer psychologischen Studie über den Alltagsmenschen Eminem, fernab vom unnahbaren Superstar-Image. Auf großen, farbigen Würfeln sind vier mehr oder weniger alltägliche Sequenzen zu sehen: Eminem beim Cornflakes-Frühstück, Eminem schmiert sich Senf in die Haare, Eminem entknotet und sortiert Spielekonsolen und Eminem raucht Cannabis durch eine Waschmittel-Bong. Für die Aufnahmen schlüpfte Alex Da Corte selbst in die Rolle – und mit den kurzen, gelb gefärbten Haare und den übergroßen weißen T-Shirts ist die Ähnlichkeit tatsächlich verblüffend.  

Folgenreiche Verwechslung – Alex Da Corte wird Eminem

Diese Ähnlichkeit ist Ausgangspunkt seines Werkes: Vor Jahren wurde ihm von einem Freund ein Foto zugeschickt, auf dem er vor Leonoardo da Vincis Mona Lisa zu sehen sein soll – in Wirklichkeit zeigte die Aufnahme den echten Eminem. Provoziert durch diese Verwechslung begann Da Corte, sich aus psychologischer Perspektive mit Eminem und dessen Alter Ego Slim Shady als Privatmenschen auseinanderzusetzen. Ihn interessierte, wie sich Eminem – der durch teils gewaltverherrlichende und frauenverachtende Äußerungen umstritten ist –  in seinem privaten Umfeld verhält. Die Einfachheit der Szenen steht dabei im Gegensatz zum Glanz und Ruhm des unnahbaren Superstars – er wird als Mensch bei banalen Handlungen gezeigt.

Herausgekommen ist eine beeindruckende Installation im Pop-Art-Stil, bei der der ganze Raum im Kunstverein zu einem visuell-auditiven Erlebnis wird. Jeder Würfel ist durch Lichtinstillationen und farbige Bodenbeläge in einen Farbraum getaucht. Beim Frühstück starrt Eminem den Betrachter mit unergründlicher Miene an – dadurch gewinnt er an intensiver Präsenz, brummende psychedelische Töne verstärken das Erlebnis.

Da Corte, der hier erstmals in einer institutionellen Ausstellung in Deutschland vorgestellt wird, interessieren in seinen Werken die Komplexität heutiger Konsumwelten und deren Verflechtungen mit sozialen, kulturellen und politischen Sphären – so handelt es sich beispielsweise bei der Cornflakes-Packung um die in den USA beliebte Marke Cinnamon Life, mit einem dunkelhäutigen Jungen auf der Verpackung. Der Titel „Bad Land“ nimmt Bezug auf die als Badlands bekannten Problemviertel in Philadelphia, in dem sich das Atelier des Künstlers befindet.

„Pearl Lines“ von Walter Price


Walter Price, Pearl Lines, Kölnischer Kunstverein 2018
Foto: Simon Vogel

Zeitglich mit „The Superman“ eröffnete die Ausstellung „Pearl Lines“ des New Yorker Künstlers Walter Price (*1989), die zuletzt in Glasgow zu sehen war. In kleinformatigen Bildern und Zeichnungen setzt er sich mit seinen persönlichen Emotionen und Erfahrungen, gesellschaftlichen Konventionen und historischen Entwicklungen auseinander. Die Werke zeigen Räume, in denen in mehreren Ebenen Objekte, Lebewesen, Zeichen, Symbole oder Formen skizzenhaft und collagenartig mit teils groben, oft dunklen oder intensiv farbigen Pinselstrichen sowie mit verschiedenen Materialien zusammengesetzt werden. Die expressiven Bilder wirken dabei mal düster und zerstörerisch, mal leicht und spielerisch –  zu erahnen ist eine bewusste künstlerische Auseinandersetzung mit den Vertretern der klassischen Moderne in Europa und den Spätausläufern der US-amerikanischen Nachkriegskunst. Zum ersten Mal zeigt eine Ausstellung das Werk des aufstrebenden Künstlers umfassend in Deutschland.

Abschied von Direktor Moritz Wesseler

Die Vernissage war gleichzeitig ein Abschied von Moritz Wesseler, der seit fünf Jahren als Direktor des Kölnischen Kunstvereins zahlreiche Ausstellungen vor allem junger Künstler ins Leben gerufen hat und im Juni das Amt niederlegen wird. Emotional bedankte er sich am Freitag bei allen Beteiligten für die lehrreiche Zeit, die Unterstützung und die Umsetzung dieser letzten, besonders aufwendigen Ausstellungen.

Alex Da Corte: The Superman / Walter Price: Pearl Lines | bis 17.6., Di-So 11-18 Uhr | Kölnischer Kunstverein | 0221 21 70 21

Mareike Thuilot

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Heretic

Lesen Sie dazu auch:

„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25

Malerei nach der Malerei
Egan Frantz in der Galerie Nagel Draxler

Tiefe Fetzen Wirklichkeit
Marcel Odenbach bei Gisela Capitain

Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24

Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24

Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24

Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24

Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24

Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24

Suche nach Menschlichkeit
Burkhard Mönnich in der Galerie Martinetz – Kunst 05/24

Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24

Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24

Kunst.

HINWEIS