Premierenankündigung sind in Zeiten des Virus ein Wagnis. Der Spielbetrieb der meisten Theater ist bis Mitte April stillgelegt. Halten wir uns deshalb an die angekündigte Spielpause und beginnen mit dem Stück „Babel Bonn“ (ab 24.4., Theater Bonn). Der Mythos vom Turmbau zu Babel und der Sprachverwirrung beschreibt den Zerfall einer Gesellschaft, die die Maximierung zum Lebensprinzip erhoben hatte – ein Prinzip, das heute wie damals den sog. gesellschaftlichen Fortschritt bestimmt. Während der Kapitalismus die berechtigten emanzipatorischen Ansprüche gesellschaftlicher Gruppen mit dem Versprechen des Individualismus aufgefangen und entschärft hat, ist die Entfremdungserfahrung größer denn je. Simon Solberg macht sich mit Bonner Autoren und Bürgern auf die Suche nach den urbanen Beziehungsweisen, die so etwas wie ein Bonner Kollektiv und eine gemeinsame Identität formen könnten.
Self-fulfilling prophecy ist immer stärker als jede Authentizität. In einem Provinzkaff herrscht die kölsche Devise „Man kennt sich, man hilft sich“. Sprich: Große und kleine Gefälligkeiten werden wie Naturalien getauscht, es herrscht die fröhliche Anarchie der Korruption. Doch nun soll ein Revisor kommen. Oder ist er vielleicht schon da und hat sich als Student Chlestakow verkleidet, der seit zwei Wochen im Gasthaus herumschmarotzt. Die Ahnung setzt ein Wettrennen um die absurdeste Heuchelei in Gang, die keine Grenzen der Erniedrigung mehr kennt. Sebastian Kreyer macht sich mit Gogols „Der Revisor“ (ab 9.5., Theater im Bauturm) einen Spaß.
Weniger lustig erging es dem Komponisten Anton Webern, einem der großen Exponenten der Zwölfton-Musik. Am 15.September 1945, also vier Monate nach der deutschen Kapitulation, wurde er von dem amerikanischen Besatzungssoldaten Raymond Bell erschossen. Bell trinkt sich später aus Reue in den Tod. Fakt ist aber auch, dass Webern, obwohl als „entarteter Künstler“ eingestuft, Sympathien für den NS-Staat hegte: „Ja, ein neuer Staat ist es, wie er noch niemals bestanden hat! Geschaffen von diesem einzigen Manne!!!“, schreibt er in einem Brief. In „Killing Anton“ (ab 16.5.,Studiobühne Köln) untersucht die Gruppe Port in Air Weberns ambivalente Stellung und seinen Tod mit den Mitteln seiner Kompositionsmethode.
[Die Veranstaltungen entfallen voraussichtlich wegen des Coronavirus bzw. werden verschoben. - d. Red.]
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