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„Magic Afternoon“
Foto: Martin Miseré

Punk-Rock-Theater

27. Mai 2016

„Magic Afternoon“ in der Grotte des Schauspiel Kölns – Theater am Rhein 06/16

Da sitzen sie also auf dem Podest in der Grotte und sind lustlos. Charly und seine Freundin Birgit, Joe und Monika. Antriebslosigkeit, Realitätsverweigerung, Anspruchsdenken lähmen sie. Zu nichts können sie sich aufraffen, außer die nächste Dose Ottakringer-Bier aufzureißen oder die nächste Pille einzuwerfen. Das Credo der vier formuliert Möchtegernschriftsteller Charly so: „Möglichst schnell möglichst wenig tun.“

Die Geschichte von Wolfgang Bauers „Magic Afternoon“ von 1967 ist schnell erzählt: Charly und Birgit langweilen sich. Baden, Spazieren, Kino oder Theater versprechen keine Erlösung. Es bleibt die Flucht in Bier und Pillen. Ihre Feierlichkeit des Überdrusses eskaliert in Gewalt, bis Blut fließt. Später kommen noch Joe und Monika vorbei und mit ihnen mehr Ottakringer, mehr Pillen, mehr Gewalt, noch mehr Blut und der Tod. In sanftem Wiener-Dialekt grantelt sich die wie gespuckt passende Besetzung mit Philipp Pleßmann, Magda Lena Schlott, Simon Kirsch und Lena Geyer durch die absurd-realistischen Szenen des Grazer Dramatikers, der heute zu den Klassikern der österreichischen Moderne gehört. Regisseur Matthias Köhler bespielt die Klaviatur des Stückes bravurös zwischen gnadenlos komisch und unglaublich brutal. Die Gewalt der Sexszene, in der Monika nur widerwillig Joe ranlässt, ist still, kalt und erbarmungslos. Der lange, leidenschaftliche Zungenkuss zwischen Charly und Joe hingegen wird von Pleßmann und Simon zelebriert, statt weggespielt. Absurd-komisch wird’s mit dem Zeitungspapier-„Raubperl“, das die beiden vollkommen mit Pillen zu gedröhnten Jungs durch den Container reisen lassen. Übergangslos geht es in eine versuchte Vergewaltigung von Birgit über. Die weiß sich im Gegensatz zu Monika zu wehren und schlägt Joes Kopf gegen die Containerwand der Grotte, bis das Blut aus Joes Kopf und den Bierdosen spritzt. Am Ende sitzen sie wieder da, die vier und singen „Happy Together“ von den Turtles.

Eine Inszenierung über Langeweile, die wegen der vier hinreißend guten Schauspieler alles andere als langweilig ist. „Magic Afternoon“ kommt so verschwitzt, stinkig und unmittelbar daher wie ein Punk-Rock-Konzert.

„Magic Afternoon“ | R: Matthias Köhler | Mi 15.6., Do 23.6. 20 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00

BERNHARD KREBS

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