Dass Bürgerinitiativen und Stadtverwaltungen selten richtig warm miteinander werden, liegt auf der Hand. Nachdem aber das Aktionsbündnis RingFrei im letzten Jahr bereits mit viel Rückenwind und ermutigenden Signalen aus der Politik in die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung eingestiegen war, sorgte im Mai ein scheinbar ernster Rückschlag für Überraschung. RingFrei sagte einen von der Verwaltung anberaumten Workshop ab und schien damit aus dem Verfahren auszusteigen. Im hdak-Kubus erklärte Reinhold Goss, Sprecher von RingFrei, dass es unterschiedliche Auffassungen gegeben habe, was ein Workshop eigentlich sei: „Wir fühlten uns nicht beteiligt.“ Christoph Schmidt vom Kölner ADFC klagte zugleich, dass seitens der Verwaltung Meinungsverschiedenheiten öffentlich heruntergespielt worden seien und zu wenig Mut bewiesen werde.
Christl Drey vom Haus für Architektur moderierte am Dienstag den gut besuchten Baukultur-Abend mit Reinhold Goss und Angela Stolte-Neumann, der Leiterin der Planungsabteilung im Amt für Straßen und Verkehrstechnik, die getrennt voneinander über den Stand der Planungen und der Zusammenarbeit berichteten. An den Publikumsfragen zeigte sich anschließend, dass viele Radfahrer anwesend waren, die nicht verstanden, warum sich in Köln nichts Grundsätzliches ändert. Frau Stolte-Neumann, deren Amt sich mit den Ringen aufgrund der Unfälle schon seit rund zehn Jahren intensiver befasse, wollte zwischen kurzfristigen und langfristigen Planungen unterschieden wissen. Für die Zukunft gebe es bereits den Masterplan – darin soll der Ring wieder zum Boulevard werden – und das Strategiepapier „Köln mobil 2025“, auf dessen Ziele man sich nur schrittweise zubewegen könne. Darüber hinaus könne es am Ring gegenwärtig nur um kurzfristige Maßnahmen gehen, die bevorzugt ohne straßenbauliche Eingriffe hinzubekommen seien.
Desweiteren wies sie darauf hin, dass die Verwaltung nur Möglichkeiten prüfen und der Politik mit ihren Vor- und Nachteilen darstellen könne. Sie habe aber nichts zu bewerten oder entscheiden. Das Planer müssten vom Ist-Zustand ausgehen („Was ist im Ist-Zustand möglich?“) und in Sachen Ringe eine Vorlage vorbereiten, zur Übergabe an die Beschlussorgane nach den Sommerferien. Dem Eindruck, dass sie Spielräume oder gar politischen Einfluss habe, widersprach sie.
Bezüglich der Überlassung einer Autospur an den Radverkehr hätte man festgestellt, so Stolte-Neumann, dass der derzeitige Verkehr an manchen Stellen nur über vier Spuren abzuwickeln sei. Je nach Ring-Abschnitt stünden vier Arten von Radverkehrs-Lösungen auf der Straße zur Wahl, darunter die in Köln erstmals zur Debatte stehende „Protected Bike Lane“, die auch für Lieferverkehr zugänglich sein müsse und deren erforderliche Breite überall zunächst eine aufwendige Verbreiterung der Fahrbahn erforderlich machen würde. Leichter und schneller zu haben sind ein Radfahrstreifen, ein Schutzstreifen und eine „Shared Bike Lane“ (Radfahrer fahren mittig in einer Auto-Spur).
Ein Schutzstreifen wurde im Dezember am Hansaring eingerichtet, wo auf etwa 500 Metern der Radweg nicht mehr benutzt werden muss. Für RingFrei ist die Befreiung von dieser Pflicht aber nur ein „Teilaspekt“. Goss wies darauf hin, dass sich Radfahrer am Hansaring von Autofahrern bedroht fühlten, die weder das neue Tempo 30 einhielten, noch die Markierungen respektieren würden. Es habe sich mit den doppelten Radwegen eine „Beliebigkeit“ ergeben, die zu Unfällen führen könne und kein Modell für den Rest des Rings sei. „Radverkehr auf dem Gehweg ist keine Lösung für die Geschäfte, für Fußgänger, für niemand.“ Als einen Erfolg wertete Goss trotzdem die bevorstehende Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht und Tempo 30 nördlich des Rudolfplatzes sowie die eingeleiteten Maßnahmen an der Kreuzung Ehrenstraße. In Hinblick auf die Kreuzung an der Christophstraße/Gladbacher Straße sagt er: „Da sind Dinge implementiert, die die Sache auch nicht sicherer machen.“ Dass es eben vor allem um Sicherheit ginge, machte er noch einmal deutlich, indem er an die Gründung von RingFrei aus einer „Betroffenheit“ erinnerte. Zu Beginn seiner Erläuterungen wies er auf einen wenige Stunden zuvor tödlich verunglückten Radfahrer in Hürth hin.
In Hinblick auf positive Äußerungen im Stadtrat, vor allem von Frau Reker, sagte Goss: „Wenn wir ernsthaft eine Verkehrswende wollen, müssen wir das hier zeigen.“
Beschlossen ist unter anderem eine von Stolte-Neumann vorgestellte Pilotstrecke vom Zülpicher Platz bis kurz vor Rudolfplatz. Dort ist geplant, angesichts ausreichend Parkhäusern die Zahl der Parkplätze zu reduzieren und Stellplätze nur noch für Anwohner und Lieferverkehr vorzusehen. Daneben sind Stellplätze für Fahrräder geplant und ein Radfahrsteifen von 2,50 Meter Breite auf der Straße. Goss erklärte, dass RingFrei zufrieden sei, dass im Rahmen der Pilotstrecke konkrete Planungen stattgefunden hätten, wenn auch an einer sehr einfachen Strecke. Dort fielen Veränderungen leicht und würden „niemandem wehtun“. Eine Problemzone gibt es allerdings: Im Bereich der oberirdischen U-Bahn-Haltestelle Zülpicher Platz fällt die zweite Spur weg und somit bleibt für den Radverkehr dort weniger Platz.
Stolte-Neumann erklärte, dass man die Entscheidungen für die engen Radwege aus den späten 70er Jahren heute nicht mehr treffen würde – nach aktuellen Richtlinien (ERA 2010) gehöre Radverkehr sowieso auf die Straße. Zum Thema Tempo 30 entlang des gesamten Rings stellte sie auf eine Frage des ADFC hin richtig, dass dies nicht vor der bereits begonnenen Modernisierung der Ampelanlagen möglich sei. Die Einrichtung Grüner Wellen sei dabei gar nicht das Entscheidende.
Derzeit liefen, wie sie sagte, vor allem Untersuchungen an „Knotenpunkten“, die eher als die Strecken dazwischen als das entscheidende Problem zu betrachten seien. Außerdem müssten die Zahlen zum Verkehrsaufkommen an den Ringen, die man einem Modell entnehme, nun durch Zählungen gefestigt werden. Konkrete Maßnahmen erwarte sie aber noch in diesem Jahr sowie im nächsten – als erstes an der Pilotstrecke. Derzeit ist dort noch gar nichts zu merken.
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Verkehrs-Simulation veraltet
Wir haben eine Beschlussvorlage der Stadt aus 11.2016, die ein Problem spiegelt: "Da die letzte Aktualisierung des Verkehrs-Simulations Modells ca. 16 Jahre zurück liegt, ist es dringend erforderlich das Modell zu aktualisieren, um in Zukunft noch mit guter Qualität aussagekräftige Prognosen für die Stadt Köln erstellen zu können"
https://politik-bei-uns.de/paper/58115c1a1ae6a033af1ac12c
Insgesamt drei Teilnehmer haben während des Treffens im hda gefragt nach 1. den Grundlagen-Daten der Verkehrssimulation, 2. dem ausführendem Unternehmen / Gewerk der Stadt und den 3. technischen Grundlagen / Verfahren für die fortlaufende Aktualisierung der Daten (auf die Frau Stolte-Neumann besonders hinwies - praktisch die einzige Information zu den drei gestellten Fragen). Keine Frage wurde beantwortet. Unseren Bitten um Transparenz wurde sogar in auffällig energischer Weise nicht entsprochen.
Daten aus der Verkehrs-Simulation wurden prominent in der Präsentation der Stadt verwendet "Stand 11.07.2017". Wie aussagekräftig sind die Daten der Stadt im Moment wohl? Wie erfolgversprechend sind Planungen, die sich auf ein dermaßen veraltetes System stützen?
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