Musikliebhaber und Komiker Loriot hat seine Beobachtungen zu Richard Strauss‘ „Rosenkavalier“ in seinem kleinen Opernführer einmal wunderbar auf den Punkt gebracht. Hier schreibt er: „Dieses Werk hat ein ungewöhnliches Verdienst: es zeigt die Männer als solche von ihrer dämlichsten Seite. Nur der jugendliche Liebhaber hat unsere Sympathie, und den singt eine Frau!“ Und in der Tat bekleckerten sich die Männer am Theater Bonn bei der Premiere des „Rosenkavaliers“ nicht mit Ruhm. 1911 entstand die Komödie für Musik in drei Aufzügen, die von Librettist Hugo von Hofmannsthal im Wien zur Zeit Maria Theresias angesiedelt ist. An dieser Zeit hat sich auch Regisseur Josef Ernst Köpplinger bei seiner Inszenierung in Bonn orientiert, die eine Kooperation mit der Volksoper Wien ist.
Die Geschichte um Liebe und Vergänglichkeit spielt in den höheren Kreisen Wiens: Die verheiratete Feldmarschallin (Martina Welschenbach) hat eine Liebelei mit dem Jungen Octavian (Emma Sventelius), der sie regelrecht anbetet. Doch schon nach der letzten Liebesnacht prophezeit sie, dass diese Liebe vergänglich sei und er sie über kurz oder lang wegen einer Schöneren und Jüngeren verlassen wird. Entrüstet ist der junge Mann, als das Liebespaar von einem Besucher unterbrochen wird, dem derben Ochs auf Lerchenau (Franz Hawlata), Verwandter der Feldmarschallin. Bereits bei seinem ersten Auftritt fällt er besonders durch schlechtes Benehmen auf: Kaum im Zimmer, macht er sich auch schon an die (angebliche) Kammerzofe der Feldmarschallin, als die sich Octavian in Eile verkleidet hat, heran. Und das, obwohl er eigentlich seiner Verwandten von seiner bevorstehenden Heirat mit der jungen Sophie (Louise Kemény) berichten und sie bitten wollte, seinen Vetter Octavian mit der Aufgabe des Rosenkavaliers zu betrauen. Dieser überbringt traditionell der Braut eine silberne Rose in Ankündigung ihres Bräutigams. Doch es kommt, wie es kommen muss: Octavian und Sophie verlieben sich auf der Stelle ineinander und vor allem nach dem Eintreffen von Ochs ist für Sophie klar, dass sie diesen unmöglichen Mann nicht heiraten wird. Es kommt zu turbulenten Szenen. Sophies Vater besteht auf der Vermählung, aber zum Glück gelingt es am Ende dank einer Falle, den Baron Ochs und seine schlechten Eigenschaften so vorzuführen, dass Sophie und Octavian frei sind für eine glückliche Verbindung.
Die Bonner Inszenierung hat Johannes Leiacker in einem eher schlichten Bühnenbild umgesetzt, das auch in der Zeit Marie Theresias angesiedelt sein könnte – mal nur mit Rosentapete, mal mit einem Stillleben oder auch nur stumpfen Spiegelwänden. Eigentlich ein wenig schade, dass Regisseur Köpplinger die Komödie um recht fragwürdige Ehegründe und Zwangsheiraten nicht in die heutige Zeit geholt hat. Möglich wäre es bei dem Thema durchaus gewesen. Dennoch ist natürlich auch diese eher klassische Inszenierung absolut schlüssig und reizvoll. Sie profitiert vor allem von dem großen Ensemblespiel der Hauptpersonen, allen voran Franz Hawlata als unerträglicher Baron Ochs. Gesanglich laufen auch Emma Sventelius als Octavian, Martina Welschenbach als Feldmarschallin und Louise Kemény als Sophie zu Höchstleistungen auf und erhielten bereits bei den Zwischenvorhängen großen Beifall.
Zur musikalischen Sternstunde wird der Bonner „Rosenkavalier“ jedoch vor allem durch das hervorragende und ausdifferenzierte Spiel des Beethoven Orchesters Bonn unter der Leitung von Generalmusikdirektor Dirk Kaftan. Er sorgt dafür, dass das Orchester nicht zu einem reinen Begleitinstrument wird, sondern entschieden zu dramatischen Momenten beiträgt. Langer Applaus nach der Premiere!
„Der Rosenkavalier“ | 12., 27.10., 1., 14.11., 6., 15., 26.12. | Theater Bonn: Opernhaus | 0228 77 80 08
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