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„Das Schloss“
Foto: Hajo Tuschy

Vermessen in der Danger-Zone

30. Juni 2016

Kafkas „Das Schloss“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 07/16

Bilder beherrschen die Welt. Wie diese Pförtnerloge auf der Bühne – nach Kafka natürlich im Schnee. Ein Ort ohne Verortung mit Kreaturen, die sich Bewohner nennen. Man fühlt sich in den Bonner Kammerspielen eher in die surreale Zone von Andrej Tarkowski versetzt als in ein Fragment von Franz Kafka, dennoch: Nur das Bühnenbild hält tatsächlich, was die Inszenierung wohl zeigen wollte und die eigene Fassung von Mirja Biel und Johanna Vater. Auch die untermalende Hintergrundmusik scheint eher das historisch Filmische zu stützen, waren das nicht Sequenzen aus „Forbidden Planet“ (USA, 1956)? Möglich, aber eigentlich auch nicht wichtig. Wofür braucht man Freunde? Eine Frage, die sich K. bestimmt seit seiner Ankunft im Dorf der Verdammten gestellt hat. Schließlich hat man ihn ja von einem Schloss aus als Landvermesser beauftragt, schließlich hat er sein Zeug dabei, aber noch keine Bleibe. HausregisseurinMirja Biel inszeniert am Theater Bonn ihre Version von Franz Kafkas Romanfragment „Das Schloss“. Die Dramatisierung entweicht ins Surreale. Die Handlung fast zur Nebensache: „Dreh dich nicht um, der Plumpsack, der geht um.“

Die Pförtnerloge im Nirgendwo entpuppt sich als Herberge, Kneipe, Büro, die Bungalows im Hintergrund eher als Durchgangspforten. Sunshine Reggae. Sommermusik im Winter, das gibt ein wohliges Gefühl beim Wälzen im Schnee, mehr aber auch nicht. K. muss an seine Auftraggeber im Schloss ran, im Dorf wird er isoliert. Das Schloss entpuppt sich als Allmacht, gegen die niemand ankommt, obwohl viele damit kooperieren. K. wird vom Dorf aufgesogen. Seine Sisyphus-Attacken laufen ins Leere. „Wer sich umdreht oder lacht, kriegt den Buckel schwarz gemacht.“ Oder der Bär erscheint. Immer noch leuchtet die Richtung zum Schloss in zartem Bleu: „West West“, dort soll es nach Franz Kafka liegen, das Schloss des Grafen, der Sehnsuchtsort, die Befreiung allen Irdischen und was auch immer.Mirja Biel erliegt in der Inszenierung der Versuchung, die Traumlandschaft zu dehnen, es interagiert die Dorfbevölkerung mit dem Raum, mit und im Autoschrott, mit und in Kirchturmspitzen, mit und ohne den Fremdling, der die Ordnung stört. Selbst schizophrene Gehilfen können da nicht mehr helfen.Pause mitten in der schier endlos gedehnten Zeit. Das Intermezzo zwischen der Wirtin, dem Lehrer, Barnabas, dem Wirt, der Frieda und all den fiktiven Personen ohne Gestalt muss noch weitergehen. Sisyphus muss den Schneeball weiterrollen. „In the Summertime“ von Mungo Jerry tönt leise. Nein – es liegt immer noch Schnee. Aus der Schule tauchen die Kinder auf. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht das fünfte vor der Tür. K. ist inzwischen Schuldiener, hat den Herrenhof gerockt, in dem die Herren des Schlosses manchmal übernachten, mal arbeiten oder sich Geliebte halten. K.’s strategische Geliebte Frieda hat ihn gerade wieder verlassen und will wieder im Herrenhof arbeiten, die Situation bleibt vertrackt, die Handlung stagniert. Das Problem: Ein von Autor Kafka selbst verfasster Schluss existiert nicht, atmosphärisch gelangt die Handlung an einen paradoxen Abgrund, die Regieanweisungen wohl auch, das Ensemble schlug sich wacker ohne Ausnahme. 

„Das Schloss“ | R: Mirja Biel | Do 7.7., Sa 9.7. 19.30 Uhr | Kammerspiele Bonn | 0228 77 80 08

PETER ORTMANN

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