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Die Opernbaustelle am Kölner Offenbachplatz
Foto: Sanierung Bühnen Köln

Wäre ein Neubau besser gewesen?

27. Juli 2017

Das Kölner Bau-Desaster – Theaterleben 08/17

War es nun der ersehnte Hoffnungsschimmer oder die Ironie des Schicksals? Die Pressekonferenz, auf der das „Desaster“ (Henriette Reker) um die Kölner Bühnensanierung am Offenbachplatz endgültig verkündet werden sollte, fand im neu gebauten schmucken „kleinen Schauspielhaus“ an jenem Offenbachplatz statt.

Ansonsten ist das „Sanierungs-Kind“ mittlerweile so tief in den Brunnen gefallen, dass man keinen Aufprall hören, die vermeintlich Verantwortlichen – Bernd Streitberger als technischer Betriebsleiter der Bühnen und ehemaliger Kölner Baudezernent und Susanne Laugwitz-Aulbach als Kulturdezernentin – aber mit leerem Blick auf der Bühne sitzen sehen konnte. Geschätzte 570 Millionen Euro soll die Sanierung der Kulturbauten am Offenbachplatz nun bis Ende 2022 kosten – entgegen geplanten 253 Millionen Euro zu Beginn der Maßnahme. Eine Katastrophe für die Stadtfinanzen. Eine Katastrophe für die Bühnen, welche weitere fünf Jahre im Interim verharren müssen. Eine Katastrophe für die gesamte Kölner Kultur, die auf Jahrzehnte mit dem Vorwurf konfrontiert sein dürfte, sie sei zu teuer, man sollte lieber an die Sanierung der Schulen, an neue Kitas usw. denken – völlig verkennend, dass Kultur maßgeblich zum Erfolg einer Stadt und zur Bildung beiträgt. Aus der Rechnung rausgefallen sind da noch die unglaublichen 110 Millionen Euro Kosten über zehn Jahre für die Interimsspielstätten wie EXPO XXI am Gladbacher Wall, Staatenhaus in Deutz und das Depot im Carlswerk in Köln-Mülheim. Die Besitzer dieser Immobilien dürften sich derweil hämisch ins Fäustchen lachen und mit einem Kaltgetränk an irgendeinem Karibikstrand liegen.

Um dies alles zu begreifen und Lehren für die Zukunft zu ziehen, muss man sich noch mal an die Thematik heranarbeiten und tiefer als in die ratlosen, traurigen Gesichter von technischer Betriebsleitung und Kulturdezernentin blicken. Um an des „Pudels Kern“ zu gelangen, muss man zurückschauen zum Beispiel ins Jahr 2010, wo ein Abriss der Bauten von Wilhelm Riphahn zu Gunsten eines Neubaus diskutiert wurde: Nach dem Archiveinsturz 2009 im Zuge des U-Bahnbaus war das Klima in der Stadtgesellschaft gegenüber großen Neubauten äußerst negativ, und so forderte nicht nur die damalige Kölner Intendantin Karin Beier die Sanierung des bestehenden Bauensembles, weil es als die deutlich günstigere und bezüglich der Fertigstellung als die sicherere Variante erschien. Zudem konnte ein vorgelegter Entwurf für einen Neubau absolut nicht überzeugen. Außer Acht gelassen wurde damals, dass die Anforderungen an einen modernen Bühnenbetrieb – sowohl unter künstlerischen als auch unter technischen Gesichtspunkten – in einem alten Gebäude viel schwieriger umzusetzen sind als in einem Neubau. Wie wir nun wissen, scheint die Umsetzung nahezu unmöglich zu sein. Die Sanierungsentscheidung basierte also auf einer klassischen Fehleinschätzung.

Oder man schaut noch weiter zurück, in die Nachkriegsjahre, als die klassische, durch den Krieg nur unwesentlich beschädigte Kölner Oper am Rudolfplatz ohne Not abgerissen wurde und durch einen Hotelneubau (heute Hotel Steigenberger) sowie durch den zentralen Bühnenbau am Offenbachplatz ersetzt wurde. Aus drei separaten städtischen Bühnen vor dem Krieg, bestehend aus Schauspielhaus, Opern- und Operettenhaus wurde ein zentraler Kulturtanker am Offenbachplatz gezimmert, der gemessen an heutigen künstlerischen Gesichtspunkten nicht mehr als zeitgemäß erscheint. Statt einer über die Innenstadt verteilten dezentralen städtischen Bühnenstruktur, wurde ein zentraler unnahbar wirkender Bühnenkomplex geschaffen, der eine Entfremdung des Durchschnittskölners von „seinem“ Theater beförderte.

Oder wir blicken in die 80er, 90er und 2000er Jahre, wo die vornehmlich durch die SPD geprägte Stadtpolitik die Bühnen am Offenbachplatz über dreißig Jahre, ohne die notwendigen Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu tätigen, einfach verrotten ließ. Ach was, wir schauen uns einfach heute um: Das Römisch-Germanische Museum muss auch zur Überraschung seines Leiters für sechs Jahre aufgrund eines massiven Sanierungsstaus geschlossen werden, und gerade dieser Tage sehen wir am Rudolfplatz, dass das „Theater am Rudolfplatz“, welches Investoren über zwei Jahrzehnte zerfallen ließen, um es gewinnmaximierend verwerten zu können, sang und klanglos – auch ohne Widerstand aus der Kulturszene – abgerissen wurde. Ein weiterer ehemaliger Kulturort weicht einem hochwertigen Bürokomplex. Wohnungsbau natürlich Fehlanzeige.

„Komplex“ ist ein gutes Stichwort, denn unerklärlich komplexbehaftet scheinen die Kölner ihren Kulturbauten gegenüberzutreten, und nach der gerade getätigten Rückschau beschleicht einen das Gefühl, dass es sich bei dem Desaster rund um die Kölner Bühnen nicht nur um ein Unglück, einen Einzelfall, um reines menschliches Versagen oder ein Lehrstück der Mafia handelt, sondern um einen Systemfehler.

Bevor man sich diesem zuwendet, sei auch noch mal jeder Vergleich mit Bau und Kosten der Elbphilharmonie ausgeschlossen, denn die visionäre Kraft und das weltstädtische Denken, welches einen solchen „Jahrhundertbau“ ermöglichen würden, scheint dieser Tage in Köln schier undenkbar. Hier wird gewurschtelt und der Mangel verwaltet und dann werden eines Tages die Scherben teuer aufgekehrt, um sie irgendwie notdürftig wieder zusammenzukleben.

Warum handelt es sich um einen Systemfehler? Kulturpolitiker wie Ratspolitiker sind mehr oder weniger ehrenamtlich in der Lokalpolitik tätig und verfügen daher verständlicherweise nicht über die Zeit und auch nicht den nötigen Sachverstand, um derart komplexe Bauvorhaben wie die Bühnensanierung zu überblicken. Sie sind auf die Verwaltung angewiesen, im Falle der Bühnensanierung zum damaligen Entscheidungszeitpunkt 2010 auf Bernd Streitberger als damaligen Baudezernenten und auf Georg Quander als Kulturdezernenten. Streitberger soll nun als technischer Betriebsleiter die Kohlen aus dem Feuer holen, die er selber mit hineingeworfen hat. Die seit 2013 amtierende Kulturdezernentin Laugwitz-Aulbach fühlt sich einfach nicht verantwortlich. Kommunikation ist nicht ihre Stärke, in diesem Punkt aber sollte man sie wörtlich nehmen und Konsequenzen ziehen. Wichtige, drängende Sachfragen werden so in einem zermürbenden Ping-Pong-Spiel zwischen Verwaltung und Politik hin und her und oft dann auch ins Aus gespielt: Statt Kopf regiert nur noch Konfus.

Hinsichtlich der Frage von Kostenkalkulationen und der Auftragsvergabe darf vergaberechtlich nicht das beste Angebot den Zuschlag erhalten, sondern es muss das günstigste gewählt werden. Zähe Nachverhandlungen um erhöhte Kosten und der Einsatz von minderwertigem Material sind die Folge. Gerade geschlossen war ja das jüngst neu erbaute Rautenstrauch-Joest-Museum am Neumarkt aufgrund einer defekten chinesischen Sprinkleranlage. Das ist kein Witz, sondern ein System.

Auch müssen die Kostenkalkulationen auf Basis aktueller Preise erfolgen wohlwissend, dass die Preise in fünf Jahren ganz andere sein werden. Mehr Transparenz und Ehrlichkeit müssten an dieser Stelle folglich rechtlich durch den Gesetzgeber ermöglicht werden.

Zur ehrlichen Auseinandersetzung gehört schließlich, dass ein Politiker, der uns Bürgern die Kosten großer Bauvorhaben wie der Bühnensanierung, eines Museumsneubaus etc. ehrlich mitteilen würde, mit einem Shitstorm, Abwahl und dem Vorwurf, nichts werde für Soziales, dafür viel zu viel für kulturelle Leuchtturm Projekte ausgegeben, überzogen würde. Intransparenz und Verschleierungstaktiken sind die Folge. Dies ist kein Klima, in dem Visionäres gedacht, geplant und erst recht nicht realisiert werden kann. Das Geld für ein soziales Miteinander, für gute Bildung und für kulturelle Leuchtturmprojekte wie auch für die kulturelle Breite ist in unserem Land und auch in Köln definitiv vorhanden, wir alle müssen – auch durch unsere Wahlentscheidungen – dafür sorgen, dass es dafür auch effektiv eingesetzt wird – in einem Klima, welches Visionen erst möglich macht.

Jörg Fürst

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