Was ist eigentlich Heimat, ist Heimat ein Ort oder ein Gefühl? Lässt sich Heimat überhaupt in Worte fassen? Dieser Frage widmet sich die polnische Künstlerin Marzena Skubatz derzeit in ihrer Ausstellung „Heima/t“, die im Fotoraum in Lindenthal gezeigt wird. In ihren Fotografien beschäftigt sie sich mit den zahlreichen deutschen Frauen, die einem Aufruf im Jahr 1949 folgten und als Dienstmädchen für Landhaushalte nach Island emigrierten. „Isländischer Bauer sucht deutsche Frau“, so lautete die Annonce des Inselstaates. Doch was bleiben für Stimmungen und Impressionen, wenn man als junge Frau in eine Einöde fern von Zuhause in ein fremdes Land, zu einer fremden Person zieht?
Skubatz, die selbst im Alter von 10 Jahren ihr Zuhause in Polen verlassen musste und sich in Deutschland ein neues Leben aufbaute, hat siebzig Jahre nachdem etwa 500 Frauen nach Island kamen, einige von ihnen besucht, um ihre Erfahrungen und persönlichen Erzählungen zu hören und in eindrücklichen Landschafts- und Portraitaufnahmen wiederzugeben. Ihre Fotografien gehen dabei nicht einem journalistischen Anspruch nach, hält Sibylle Mall, die Gründerin des Fotoraums, fest. Im Vordergrund stehen vielmehr die Gefühle der Frauen, die in Skubatz‘ ganz besondere Bildsprache einfließen. Hier werden sie mit Island selbst in Verbindung gebracht, in kargen und fast öden, gleichzeitig anziehenden und auf beeindruckende Weise beruhigenden Landschaftsimpressionen.
So zeigt auch das Titelbild der Ausstellung eine blasse Darstellung des Meeres. Dieses symbolisiert eindrücklich das Gefühl, das die Frauen zu vermitteln versuchen. Das Diffuse und Nebulöse, was nach all den Jahren stets präsent bleibt. Diese Unklarheit verleitet, auf die Verletzbarkeit und Vergangenheit der Frauen zu schließen, auch wenn ein Begleitheft zu den Aufnahmen durch Einblicke in die Unterhaltungen mit Skubatz teilweise sogar ein fast romantisierendes Bild ihrer Erfahrungen widerspiegelt.
Was letztendlich bleibt, sind Mutmaßungen und dezidierte Stimmungen, die die Bilder für sich sprechen lassen. Es scheint nicht darum zu gehen, eine Antwort auf die Frage nach der Bedeutung von Heimat zu finden. Sondern – neben den beeindruckenden Aufnahmen – um den Anreiz, sich mit dem Heimatgefühl viel eher auf affektive Weise auseinanderzusetzen und anzunähern.
Marzena Skubatz: Heima/t | bis 3.4. | Fotoraum Köln | www.fotoraum-koeln.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24
Funktion und Kultur
Die „Ladentische“ von Anja Schlamann in der Michael Horbach Stiftung
Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24
Lebende Pflanzen in Schwarz-Weiß
Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark
Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24
Unser Körper in Schichten
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln
Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24
Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24
Suche nach Menschlichkeit
Burkhard Mönnich in der Galerie Martinetz – Kunst 05/24
Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24
Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24
Makroproteste in der Mikrowelt
Agii Gosse in der Galerie Landmann-31 – Kunstwandel 03/24
Mit dem Surrealismus verbündet
Alberto Giacometti im Max Ernst Museum Brühl des LVR – kunst & gut 11/24
Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24
Geschichten in den Trümmern
Jenny Michel in der Villa Zanders in Bergisch Gladbach – kunst & gut 10/24
Ein Himmel voller Bäume
Kathleen Jacobs in der Galerie Karsten Greve – Kunst 09/24
Leben/Macht/Angst
„Not Afraid of Art“ in der ADKDW – Kunst 09/24
Die Freiheit ist feminin
„Antifeminismus“ im NS-Dokumentationszentrum – Kunstwandel 09/24
Atem unserer Lungen
„Body Manoeuvres“ im Skulpturenpark – kunst & gut 09/24
Vor 1965
Marcel van Eeden im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen – kunst & gut 08/24
Atem formt Zeit
Alberta Whittle in der Temporary Gallery – Kunst 07/24
Niemals gleich
Roni Horn im Museum Ludwig – kunst & gut 07/24