Vor 2000 Jahren war hier noch Grasland, dann kamen die Römer, bauten eine Brücke und schon war der Ort oberhalb des Rheinufers einer der bedeutendsten Handelsplätze Europas. Anlegende Kaufleute waren durch das Stapelrecht gezwungen, ihre Waren den Kölnern günstig anzubieten. Delikatessen wie Austern, Wein und Naschwerk wurden am Heumarkt umgeschlagen, die Stadt boomte. Eindrucksvolle Erinnerungen an die römische Ära sind nun im Kölnischen Stadtmuseum zu bewundern. Im 10. Jahrhundert ließ Erzbischof Brun etliche Häuser einplanieren und schuf so einen 20.000 qm großen Platz. Die Kaufleute wurden reich und mächtig, schlossen sich im 14. Jahrhundert in Zünften, sogenannten Gaffeln, zusammen und bestimmten fortan die Geschicke der Stadt. Ihre prächtigen Gaffelhäuser standen, wie könnte es anders sein, am Heumarkt. Noch heute funkeln ihre erlesenen Silbergeschirre.
Diesem so geschichtsträchtigen Platz widmet das Kölnische Stadtmuseum nun in Zusammenarbeit mit dem Römisch-Germanischen Museum eine spannende und abwechslungsreiche Ausstellung, die am 10. Dezember eröffnet wird. Es ist die dritte in der Reihe „Drunter und Drüber. Schauplatz Kölner Geschichte“, die jeweils ein typisch kölsches Veedel präsentiert. Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes hob in ihrer Eröffnungsrede hervor, dass der Heumarkt immer schon ein Treffpunkt und Begegnungsort war und ist. „Ungerm Stätz vum Pääd“, unter dem Hinterteil des Pferdes des preußischen Kaisers Friedrich Wilhelm III., der als Denkmal seit 1878 hier thront, verabredeten sich Liebespaare, Marktweiber und Politiker. Markus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums, wies darauf hin, dass der Heumarkt sowohl Handelsplatz als auch Börse war, quasi die Wallstreet des Mittelalters. Wo Geld ist, ist auch Sex and Crime nicht weit. Es gab unaufgeklärte Morde, Sexskandale und Hinrichtungen am heute so beschaulichen Heumarkt. Hier residierten Ratsherren, Freimaurerlogen und die „Haute Volaute“ von Köln. Am Heumarkt befand sich auch das Redaktionsbüro der kritischen Neuen Rheinischen Zeitung, die 1848/49 ein gewisser Karl Marx leitete. Folgerichtig befindet sich in der Ausstellung die Erstausgabe seines „Kommunistischen Manifests“.
Kuratorin Marion Euskirchen vom Römisch-Germanischen Museum erzählt, dass der Marmorkopf, der die Besucher eingangs begrüßt, gleich vier Personen zugeordnet wurde: Agrippa, Claudius, Nero und Domitian – antikes Recycling sei Dank. Doch auch die Kölner waren clever im Wiederverwerten: Die Eichenpfähle der römischen Brücke wurden kurzerhand zu Ratsstühlen umgearbeitet, die heute noch das Rathaus schmücken und auf denen selbst Konrad Adenauer seinen Hintern wetzte.
Stefan Lewejohann, Kurator des Kölnischen Stadtmuseums, berichtet, dass der Heumarkt auch vom NS-System instrumentalisiert wurde. Jüdische Hausbesitzer wurden enteignet und vor ihrer Deportation in Sammelwohnungen zusammengepfercht. 1942 erfolgte die weitgehende Zerstörung des Heumarkts bei einem Bombenangriff. Kaiser Friedrich Wilhelm III. samt Pferd lag zerschlagen am Boden – erst 1990 konnte er seinen angestammten Sockel wieder erklimmen. Alte, großformatige Fotografien dokumentieren in der Ausstellung die wechselvolle Geschichte des Heumarkts. Als politischer Ort hat dieser sowohl Gewerkschaftsaufzüge anno 1949 als auch die Demonstration „Köln stellt sich quer“ gegen Hooligans 2015 gesehen. Lewejohann verschweigt aber nicht, dass der heutige Heumarkt ein Sorgenkind der Stadtbau- und Verkehrsplanung ist. Ein Vergleich mit dem Markusplatz in Venedig, wie er noch in mittelalterlichen Reisebeschreibungen zu finden war, ist heute nicht mehr möglich. Rundgänge durch die Kneipen am Heumarkt oder „Wissensdurstig“-Führungen mit Cocktails von den Heumärkten dieser Welt bietet das abwechslungsreiche Begleitprogramm. Vielleicht erfährt man dabei ja genaueres, welches wesentliche Teil von Kaiser Friedrich Wilhelms III. Pferd immer wieder rot lackiert wurde?
„Drunter und Drüber: Der Heumarkt. Schauplatz Kölner Geschichte 3“ | bis 1.5. | Kölnisches Stadtmuseum | 0221 22 12 23 98
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