choices: Herr Dr. Wilsberg, am 10. Oktober sind in Köln mehr als 100.000 Studierende ins diesjährige Wintersemester gestartet. Wo zeigt sich die Inflation für die Kölner Studierenden aus ihrer Sicht am deutlichsten?
Dr. Klaus Wilsberg: Besonders offensichtlich wird es eigentlich bei Energie- und Mietpreisen. Studierende leiden genauso wie alle anderen unter der Preissteigerung, aber bei Studierenden ist es natürlich systematisch eher so, dass sie keinen Puffer haben. Das ist ein strukturelles Problem und das zeigt sich momentan sehr deutlich.
Welche Maßnahmen ergreift das Studierendenwerk, um die steigenden Kosten abzufedern?
Man hat natürlich die Klassiker, die man auch gemeinhin liest. Auch, was das Werk selbst angeht – also mich zum Beispiel. Ich sitze jetzt hier im Büro, habe alle Türen zugemacht und heize sachte den Raum, in dem ich arbeite. Und das sind diese typischen Maßnahmen, die auch viele andere Unternehmen haben. Es gibt vom Deutschen Studierendenwerk aber auch eine riesige Kampagne, die nennt sich „Flip the Switch“. Es ist eine bundesweite Einheitsaktion, wo es um eine Anleitung zum Sparen geht – also ohne erhobenen Zeigefinger. Es ist eher ein spielerischer Ansatz, was man so machen kann.
Und wie wird die Aktion bisher angenommen?
Sie wird wirklich gut angenommen. Also ich habe kürzlich mit unserem „Energie-Papst“ im Werk gesprochen und die Studierenden gehen schon sorgsam damit um. Es ist jetzt nicht so, dass wir eine Verschwendung vermuten, aber wir sehen auch, dass ungefähr 10% Einsparung immer noch drin sind.
Am 1. August ist die neue BAföG-Reform in Kraft getreten: Darin wird beispielsweise der Förderungshöchstbeitrag und der Wohnbedarfszuschlag angehoben. Wie betrachten Sie die Reform?
Es ist auf jeden Fall ein richtiger Schritt. Aber es muss einfach noch mehr geben. Also 17 % der Kölner Studierenden erhalten BAföG. Das heißt, es sind weniger als ein Fünftel. Und das ist schon wirklich wenig. Natürlich sehen wir die Reform auch als höhere Sätze und das ist ein Erfolg. Man hat auch verschiedene andere Sachen angepasst, wie die Altersgrenze für Beantragung zum Beispiel. Es ist also schon einiges passiert, aber wir müssen aus unserer Sicht weitere BAföG-Reformen haben. Es gibt einen Entwurf für eine Studien-Starthilfe, durch die man zum Studienbeginn finanzielle Unterstützung bekommt – und das würde ich als ein sehr sinnvolles Instrument ansehen. Also wenn wir über BAföG sprechen, dann sind das genau diese Wege, dass man das erweitert und schaut: Wie ist das mit den Sätzen, wie passt man das an? Köln ist ein teures Pflaster. Wie kommt man dahin, dass das wenigstens halbwegs die Kosten in einer so teuren Stadt wie Köln deckt?
Im Jahr 2021 hat das Kölner Studierendenwerk über 15.600 BAföG-Anträge bearbeitet – werden es für 2022 tendenziell eher mehr oder weniger Anträge?
Also wir gehen davon aus, dass es mehr wird. Eben einfach, weil es die BAföG-Reform gab. Das führt ja theoretisch dazu, dass auch mehr Leute BAföG beantragen.
Haben Sie den Eindruck, dass das Studieren insgesamt gerade unattraktiver wird durch all diese Faktoren?
Das kann ich nur bejahen. Wir haben ja jetzt eine Überlagerung von verschiedenen Krisen. Also wir hatten mehrere Semester hybrid oder ganz online, mit der Unsicherheit und den sozialen Schieflagen, die das mit sich gezogen hat. Das hat das Studium schon nicht unbedingt attraktiv gemacht. Und jetzt kommt die zweite Krise dazu. Wir glauben, dass viele Studierende auch diese Fragestellung beschäftigt: Was passiert noch? Kann ich mir nächstes Jahr mein Studium noch leisten? Kann ich mir die Miete leisten? Und aus dieser Unsicherheit heraus glaube ich, dass da eine gewisse Zurückhaltung ist.
Was wünschen Sie sich seitens der Politik?
Ja, das mache ich ganz einfach: Mehr Zuschuss. Also ich mache es auch da transparent. Das Land Nordrhein-Westfalen zahlt uns ja einen Zuschuss. Das ist schon viel Geld, muss man auch fairerweise sagen, 5 Millionen Euro im Jahr. Und wir bekommen noch eine Erstattung für das BAföG, weil wir ja Personalaufwand haben. Das machen wir sozusagen im Auftrag des Landes. Und da versprechen wir uns eine Erhöhung. Die Landesregierung hat das im Koalitionsvertrag stehen, es soll 2023 um 3% steigen. Aber da kann man schon ablesen – die Inflationsrate wird irgendwo zwischen 6 und 10 % liegen und wir bekommen eine Erhöhung von 3% –, das ist also noch unter dem, was für uns reichen würde. Ich finde das okay, aber es ist nicht genug.
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